Herberge "Am Geisenstieg" (2)

  • "Danke", klingt es leise zu ihm herüber, dann herrscht wieder Stille. Alanis kämpft hart mit sich, ob sie nicht zu ihm zurückkehren sollte, um den letzten Rest ihrer Beklemmung von seiner Nähe vertreiben zu lassen, doch sie entscheidet sich dagegen. Einmal zurückgewiesen zu werden reicht für eine Nacht - damit waren sie quitt.

  • Damorg seufzte leise. Sein Blick war nun an die Wand gerichtet und er sprach dadurch in die entgegengesetzte Richtung von Alanis.


    "Entschuldige bitte. Aber immer wenn ich denke glücklich zu sein, oder glaube dich zu kennen, passiert...."


    Eine kurze Pause, die ihm wie eine Ewigkeit vorkommt.


    "...so etwas."


    Die Stimme war ruhig und leise.

  • Alanis zwingt sich, nicht hochzufahren oder gar in Tränen auszubrechen, obwohl beides im Moment sehr attraktiv erscheint.


    "Dann wird das eben in Zukunft nicht mehr passieren." Ihre Stimme schwankt dennoch ein wenig.


    Oder Du wirst es nicht mitbekommen.

  • Damorg wirft sich im Bett herum. Seine Stimme ist auf einen Schlag leicht belegt, aber immernoch ernst. Die Augen starr auf die Priesterin gerichtet.


    "Versprich mir nichts was du nicht halten kannst und was ich nicht will. Ich möchte es einfach nur verstehen können."

  • Alanis setzt sich wieder auf, ganz abrupt, so als würde sie wieder erwägen, einfach aus dem Bett zu springen, doch dann sinken ihre Schultern ein wenig nach unten und der Widerstand scheint gebrochen.


    "Ach, verdammt nochmal, ich -." Sie seufzt leise. "Da gibt es nichts zu verstehen. Ich bekomme Panik, habe das Gefühl zu ersticken und muss dann aus geschlossenen Räumen raus." Es klingt ein wenig trotzig. "Und glaub nicht, dass ich mich nicht dafür schäme. Ich hätte nicht gedacht, dass mir das passiert. Ich bin wie mein Meister -."

  • Sein Blick folgt der Priesterin.


    "Vor mir brauchst du dich nicht schämen. Und dann ist es eben so. Ich hoffe nur das es nichts mit mir zu tun hat."


    Er wollte seinen Arm nach ihr ausstrecken, lies ihn dann aber wieder sinken.


    "Wenn ich dir helfen kann sag bitte wie."

  • "Mit Dir? Nein. Im Gegenteil. Du bist der Grund, weswegen ich überhaupt noch hier bin." Ein zittriges Lächeln, das im Halbdunkel nur zu erahnen ist, aber aus ihrer Stimme herauszuhören ist. "Die Schifffahrt hierher war für meine Verhältnisse richtig gut. Wir haben die Drachenlande überstanden, mein Haus ist fertig und Du - naja, Heimat eben." Sie schüttelt frustriert den Kopf, sich verzettelnd und schließlich wieder schweigend.

  • Nun berührte er sie doch sanft an der Schulter und drückte sie sachte nach hinten auf das Kissen. Rasch war er wieder an sie heran gerückt.


    "Dann entschuldige bitte. Es ist für mich nur manchmal etwas befremdlich. Ein paar Worte können mich dann schon schnell beruhigen. Das wäre das Einzige worum ich dich bitten würde."

  • "Manchmal kann ich die Dinge nicht so leicht erklären, weißt Du. Obwohl ich ja eine Frau bin und Frauen ja immer viel reden können." Als er sie wieder berührt, entspannt sie sich schneller, als es jeder ruhige Moment vor der Tür hätte tun können. Sie lehnt sich zurück, wie er ihr mit der Geste bedeutet hat und zieht die Decke wieder hoch, weil sie noch immer fröstelt. "Ich habe meinen Meister damals kennengelernt, als er ein Wrack war. Er hatte ein Bein verloren und er soff wie ein Loch. Ich schwor mir damals, sollte ich ihm jemals auf den Weg der Priesterschaft folgen, dass ich niemals so werden würde. So - bitter. Am Rande von Chaos, Wut und Verzweiflung. Und nun, fünf Jahre später, bin ich genauso, wie er damals war. Ich nehme Mittelchen zum Schlafen, ich trinke zu viel - auch wenn ich nichts vertrage - und ich verletze alle um mich herum, denen etwas an mir liegt."

  • Der Priester legt einen Arm um den Bauch der Frau.


    "Nur mit dem Unterschied, das du all das gut vor der restlichen Menschheit versteckst. Außerdem stellst du dich dem Kampf und lässt es nicht über dich hineinbrechen."


    Er legt seinen Kopf seitlich an den ihren so, dass seine Stirn ihre Schläfe berührt.


    "Und ich bin bei dir."

  • "Genau, Du bist da und deswegen läuft alles momentan ganz gut. Besser als noch im letzten Jahr." Ihre Fingerspitzen beginnen, über seinen Arm zu streicheln. "Ich verdanke Dir mein Leben, weißt Du? Und ich weiß nicht, ob ich Dir damit vielleicht zuviel zumute."

  • "Ich gehe deinen Weg solange mit dir, wie ich kann und wenn du deine Last teilen kannst, helfe ich sie dir zu tragen."


    Seine Stimme ist ein Flüstern, welches an ihr Ohr dringt.

  • Alanis schweigt. Eine ganze Weile. Vor dem Fenster, das einen Spalt aufsteht, rauscht Nachtwind kühl über die nahen Felder, in denen nächtliche Vögel nach Beute suchen.


    Solange wie er konnte?


    "Es ist dieses Gerede über Kinder gewesen" , murmelt sie schließlich. "Ich bin ja selbst Schuld, dass ich die Sprache darauf gebracht habe. Und ich kann seit heute Nachmittag an kaum etwas Anderes denken. An diese Burg, an die Knochen, die man an dem Hang verscharrt hatte, so fein wie Vogelknochen und auch so leicht-."


    Sie schiebt eine Hand unter die seine auf ihrem Bauch.

  • "Wenn du es mir nicht erzählen möchtest, brauchst du kein Wort mehr zu sagen."


    Eine Gänsehaut hatte sich auf seinem Rücken und Arm gebildet, alleine bei der Andeutung kamen ihn bereits Bilder in den Kopf, die er lieber vertreiben würde. Ihre Hand auf dem Bauch umfasst er und drückt sie fest.

  • Die Priesterin zögert lange. Einerseits hatte sie den Drang, das loszuwerden, was ihr seit Jahren auf der Seele liegt, schwerer als vieles Andere. Andererseits fürchtet sie, Damorg mit ihrer eigenen Reaktion darauf noch mehr aufzubürden, als sie es eh schon tat.


    "Sag einfach - wenn Du nichts mehr hören willst", beginnt sie schließlich und wendet leicht den Kopf, um seine Schläfe zu küssen, ganz zart. Dann fährt sie fort: "Da war ein Geist, in dieser Burg. Sie war schwanger und sie weinte in einem fort -."


    Sie setzt die Geschichte fort. Die hochschwangere Frau. Der Magier. Der Tisch und das Messer. Und all das Blut. Zwischendurch stockt ihre Stimme immer wieder einmal, bricht an der einen oder anderen Stellle und irgendwann hört sie einfach auf.

  • Als sie abbricht, zieht Damorg die Priesterin nah an seine Brust. Der Arm, der eben noch auf ihrem Bauch ruhte, legt er nun um ihre Schulter. Sanft drückt er sie an sich. Er selbst ist aufgewühlt und betroffen, die Bilder, die in seinem Kopf spuken, lassen sich nicht vertreiben.


    "Schatten der Vergangenheit, hier können sie dir nichts anhaben."

  • Sie birgt den Kopf an seiner Brust und umschlingt ihn mit ihren Armen.


    "Es sollte mich - stärker machen. Entschlossener. Aber es frißt an mir, immer weiter. Die Welt ist so. Warum soll ich weiterkämpfen, wenn ich doch sehe, dass es immer schlimmer wird? Und warum sollte ich Kinder bekommen, wenn sie einem einfach so weggenommen werden können?"


    Heiße, zornige Tränen rinnen hinunter auf Damorgs Brust.


    "Ich hab es so satt. Ich heile, damit es wieder zerstört wird."

  • "Und würdest du es nicht tuen, so würde die Dunkelheit über uns herfallen. Ebenso wie wenn wir aufhören würden uns zu wehren. Und selbst wenn wir diesen Kampf eines Tages verlieren sollten, so haben wir wenigstens versucht es zu verhindern. Es gibt soviele Gründe warum es sich lohnt."


    Seine Stimme ist noch immer ein Flüstern, aber man merkt, dass er selbst keinen Zweifel mehr an seinen Worten hat.


    "Ich habe meine Seele selbst schon auf dem Amboss Kapals gesehen und dennoch bin ich hier. Du warst selbst schon in tiefster Dunkelheit und dennoch bist du hier."

  • Alanis bringt irgendetwas zustande, das so etwas wie ein Nicken, ein Kopfschütteln und ein Schulterzucken zur selben Zeit sein könnte.


    "Ich weiß das alles. Mein Kopf weiß das. Aber das reicht eben manchmal nicht. Und dann kommt die Dunkelheit vorbei und erinnert mich daran, dass ich sie niemals mehr in meinem Leben loswerden kann."


    Sie schnieft kurz, scheint sich aber wieder ein wenig zu fangen. Die Nähe zwischen Damorgs und ihrem Körper scheint ihr gut zu tun.


    "Aber zum Glück bist Du ja da und nimmst mich in den Arm und erzählst mir, dass das schon alles werden wird."

  • Damorg schluckt trocken.


    "Das habe ich nicht gesagt. Aber ich wünsche es mir."


    Die Luft aus seiner Lunge entweicht auf einen Schlag.


    "Aber egal was passiert, ich bin da."