An Bord der Nebelfalke

  • Er bemerkte schnell, dass ihr dieser Gedanke nicht wohl ist, daher meinte er:
    "Aber lassen wir dies, Lady Marie, dieser Augenblick ist viel zu schaden, als dass man ihn mit schaurigen Kriegsgeschichten stören sollte."
    Er lächelte sie an.

  • Wieder lächelte er sie an und legte dabei fast ein wenig jungehaft den Kopf schief:
    "Ich käme niemals auf die Idee, eine Dame auszufragen, Lady Marie. Wenn Ihr indes etwas aus freien Stücken mir erzählen wollt, so höre ich Euch sicherlich sehr gerne zu."

  • Marie biss in eine sehr große Erdbeere, die sehr saftig war. Der Saft lag auf ihren Lippen und färbte sie tief rot.


    Sie fragte sich die ganze Zeit, was er wohl gemeint hatte mit "just nicht humorig gemeint". Sie hatte sicherlich etwas gesagt, was sich ganz und gar nicht schickt. Wenn sie doch mehr Erfahrung auf dem gesellschaftlichen Bankett hätte. Sie fühlte sich so unsicher, wie eine Witzfigur... wenn Dunja nur hier wäre...


    Sie wusste nicht, was sie noch hätte sagen sollen, ohne irgend ein Fettnäpfchen zu betreten. Herr Bedevere würde sich sicherlich schon gehörig langweilen mit ihr.


    Als Hofdame würde sie bestimmt versagen. Am besten, sie sage in Gegenwart von anderen als der Fürstin gar nichts mehr oder nur das Nötigste...


    Marie biss sich wieder unbewusst auf der Unterlippe, bemerkte den Erdbeersud und leckte sich die Lippen.

  • "Wir haben hier an Bord eine Kapitänin, Frau Evita Fernandez. Sie versteht Ihr Handwerk ausgezeichnet..."
    Er nahm sich eine weitere Spezerei.
    "Was sind denn Eure Zukunftspläne, Lady Marie, wenn ich fragen darf?"

  • Verwirrt schaute Marie Herrn Bedevere an. Hatte sie richtig gehört?


    "Pardon? Sagtet ihr, der Kapitän dieses Schiffs ist eine Frau? Eine Frau kann Kapitän eines Schiffes werden? Ich bin ... ich weiß gar nicht, was ich sagen soll... das ist überraschend - sowas hab ich noch nie gehört. Sowas ist in Rayon möglich? Das ist überhaupt möglich? Verzeiht, dass ich so überrascht bin - hat man mir doch immer erzählt, Frauen wären nur für den Haushalt, die Ehe gut und nicht für Geschäfte... ich..."


    Marie schüttelte noch immer den Kopf. Wie oft hatte ihr Vater sich abfällig darüber geäußert, dass Frauen hinter den Herd gehörten und nicht Geschäfte führen sollten. Solange sie hinterm Tresen stand und dahinter noch ein Mann, war das für ihn in Ordnung. Wenn er nur wüsste, dass Marie während seiner Abwesenheit seine Geschäfte in Rendor führte, weil sein Buchhalter zu nichts taugte als zu Spielschulden und anderen Vergnügungen, denen er nachging... dann wäre die Hölle los.


    Marie konnte es einfach nicht fassen, dass sie die zweite Frage überhörte...

  • "Ja... ich war schon verwundert, dass es eine Reichskanzlerin gibt. Ritterinnen?! Ich dachte immer, Dunja sei eine Ausnahme, weil sie auf dem Schlachtfeld agierte."


    Frauen, die ihr Schicksal selbst in die Hand nahmen. Wie sehr wünschte sie, sie könnte es ebenso. War es vielleicht doch möglich - hatte Dunja Recht?


    Sie richtete ihren Blick wieder auf Herrn Bedevere. Er schaute sie ebenfalls an mit einem fragenden Ausdruck.


    'Er muss denken, ich bin wirklich naiv', dachte Marie. Wie sollte er auch verstehen. Er war ein Mann und hatte definitiv eine andere Erziehung genossen. Seine Zukunft selbst zu bestimmen war ein gut, was "meist" nur den Männern vorbehalten war.

  • "Zwar sind dies Domänen, die immer noch von Männern belegt sind, aber Frauen können durchaus hier ihren Platz haben. Auch wenn einige Männer Frauen nicht in diese Positionen sehen wollen."

  • Der Ritter zuckte mit den Schultern.
    "Das ist wohl leider so. Ich frage mich hier ernsthaft, wie man dieses Dilemma auflösen will - zum einen soll man einer Dame die allergrößte Wertschätzung entgegenbringen, so gebietet es eifnach die Form, zum anderen traut man ihr allerdings rein gar nichts zu, das passt einfach nicht."

  • "Ja, genau! Dass ein Mann sowas mal offen äußert!!! Ich habe so oft das Gefühl, nur für eine hohle Puppe gehalten zu werden, die zu zerbrechlich ist, um ihr Verantwortung zu übergeben. Wo steht denn geschrieben, dass Frauen nicht ebenso gut Geschäfte tätigen können wie Männer?! Über dieses Thema könnt ich mich stundenlang äußern. Aber das wäre sicherlich zu ermüdend für Euch," zwinkerte Marie Herrn Bedevere zu.


    "Ich könnt Euch glücklich schätzen, ein Mann zu sein und machen zu können, was Ihr wollt. Sicherlich, Ihr habt auch Eure Verpflichtungen - aber seid so viel freier in Entscheidungen zu Eurer Person, als ich es als Frau jemals sein könnte. Ich beneide Dunja da ja zutiefst. Sie hat sich das Recht rausgenommen, das zu tun, was sie will - zumindest scheint es mir so. Wenn ich doch auch nur so mutig sein könnte..."


    Marie nahm einen verträumten Ausdruck an.

  • "Ich kann leider auch nicht immer das tun, wa sich möchte, auch wenn ich sicherlich etwas mehr Freiheiten genieße in manchen Bereichen."
    Er trank einen Schluck Wasser.
    "Lady Dunja kenne ich nicht gut genug, um mir da ein Urteil zu fällen. Wenn Sie sich diese Freiheit genommen hat, so kann ich Sie dazu nur beglückwünschen. Was hindert Euch daran, es Ihr gleich zu tun?"