Im Hafen von Rendor

  • Michael de Moriba beendete das Gespräch mit seinem Mitarbeiter in der Lagerhalle im Hafen. Er wollte so schnell wie möglich nach Hause, wo seine Frau auf ihn wartete. Er hatte ihr versprochen, nur kurz bei der Einlieferung der Ware zu verweilen.


    Er ging aus dem Gebäude heraus und wollte gerade in seine Kutsche steigen, als er zwinkern musste... war das da vorne nicht seine Tochter?


    Er steuerte auf sie zu. Sie stand mit ihrem Rücken zu ihm.


    "Marie!"

  • "Was machst Du hier, Marie? Bist Du gerade angekommen von Deiner Reise?"


    Er hatte seine Arme hinter seinem Rücken gekreuzt - seine typische autoritäre Haltung.


    Er musterte die kleine Frau neben Marie und fragte sich wer die Dame war.


    Dementsprechend fragend schaute er Marie mit einer hochgezogenen Augenbraue an und deutete mit seinem Blick auf die Frau neben ihr.

  • Marie war dieser Blick wohl bekannt und ihr war es sehr peinlich, dass er ihre liebe Freundin so musterte. Marie hielt den Blick immer noch gesenkt und sie sah sehr eingeschüchtert aus.


    "Vater, das ist meine Freundin, Lady Dunja Fuxfell, von der ich Dir in meinen Briefen berichtet habe. Ich habe sie eingeladen, einige Tage bei uns zu verweilen. Wir kommen gerade von einer Reise wieder, wie ich Dir ebenfalls schrieb."


    Marie sah Dunja entschuldigend an.

  • Diese ist zwar über die Begegnung mit Maries Vater etwas überrascht, läßt sich jedoch in keinster Weise vom Auftreten des Kaufmanns beeindrucken. Von einem Moment zum nächsten legt sie ihre übliche Unbeschwertheit ab, schlüpft spielend in die Rolle, die sie so lange vernachlässigt hat und umgibt sich mit einer Aura natürlicher Autorität, die sich nicht nur in ihrer Haltung, sondern auch in Blick und Stimme wiederspiegelt,


    "Es ist mir eine Ehre, Euch persönlich kennenlernen zu dürfen, Herr de Moriba!"


    Sie verneigt sich in angemessener Weise und schenkt Maries Vater ein freundliches Lächeln.


    "Ich habe mir erlaubt Eure Tochter an meinen Hof einzuladen, in der Hoffnung, dass dies gewiß auf Eure Zustimmung stossen würde und sie erwiderte diese Einladung, so dass ich nun die Freude habe hier in Rendor ihr Gast sein zu dürfen!"


    Ihre Liebenswürdigkeit Maries Vater gegenüber scheint erstaunlich...

  • Michael de Moribas Stimmung änderte sich schlagartig und ein Lächeln erschien in seinem Gesicht:


    "Lady Dunja! Es ist mir eine Freude, dass Ihr unser Gast seid!"


    Er beugte sich galant zu ihr runter und gab ihr einen Handkuss. Wer hätte gedacht, dass diese Frau eine Adlige ist...


    Mit seiner freundlich höflichen Art, die er immer anlegte, wenn er Geschäfte tätigte oder neue Persönlichkeiten kennenlernte, sagte er zu den beiden:


    "Ihr seid sicherlich auch gerade auf dem nach Hause. Darf ich Euch bitten, in meiner Kutsche mitzufahren. Ich wollte soeben auch dorthin aufbrechen."


    Er bot beiden Damen jeweils einen Arm an.


    Marie nahm diesen sogleich an und hakte sich ein, waren diese Gelegenheiten doch eher rar...


    Michael de Moriba sagte dann zu Marie:


    "Deine neue Mutter ist bereits daheim. Ich hoffe sehr, Du kommst mit ihr aus. Sie wird erfreut sein, Dich endlich kennenzulernen."

  • Marie zuckte kurz zusammen bei den Worten ihres Vaters und erwiderte:


    "Ja, Vater..."


    Marie konnte sich noch genau an seinen Brief erinnern, der sie erreichte, kurz bevor sie DalagNor und der schönen Hochzeitsfeier verlassen hat. In diesem Brief hatte er ihr erzählt, dass ihr Vater wieder geheiratet hatte und dass er erwarte, dass sie seine neue Frau als Herrin über ihr zuhause akzeptierte und an ihr abtrat. Deswegen durfte sie auch ein eigenes Heim beziehen - wahrscheinlich wollte die neue Frau an der Seite ihres Vater seine ältere Tochter nicht im Haus haben.


    Alle stiegen in die Kutsche ein und sie passierten kurz darauf den Wachtposten des gesicherten Hafenareals, fuhren die Straße hoch in die Stadt. Dann blieb die Kutsche stehen und alle stiegen aus.


    Marie betrachtete nochmal ihr Haus. Fanny hatte die für diese Jahreszeit typischen Mistelzweige an die Haustür gehängt, die Glück und Segen hereintragen sollten bei jedem Öffnen der Tür.


    Sie hielt kurz den Atem an und schaute dann zu Dunja... wie froh sie war, dass sie bei ihr war.

  • Dunja hatte die Chance genutzt und unauffällig den Herrn de Moriba betrachtet. Nun ist sie gespannt auf dessen neue Frau und deren Erscheinung & Auftreten. Unwillkürlich hofft sie für Marie, dass sie vielleicht doch ganz nett ist und sich möglicherweise mit ihrer neuen Stieftochter gut verstehen wird...

  • Herr de Moriba tritt voran und öffnete die Tür.


    "Bitte, tretet herein, verehrte Lady Dunja. Darf ich Euch den Überwurf abnehmen?"


    Er befand es immer noch merkwürdig, dass eine Dame von Stand so schlichte Kleidung trug, ignorierte es aber, da er gelernt hatte, dass Adlige manchmal merkwürdige Dinge taten und ihre Gründe dafür hatten.


    Nachdem er ihr geholfen hatte, kam auch schon Fanny um die Ecke geeilt, die gehört hatte, dass der Herr im Hause sei. Als sie Marie ebenfalls entdeckte, blieb sie kurz stehen und schaute sie mit großen Augen an.


    Oje... damit hatte sie nicht gerechnet. Sie hatte die neue Herrin vor geraumer Zeit nach oben ins Schlafgemach des Hausherrn einquartiert und ihr ein Bad bereitet.


    Sie trat an die Herrschaften heran, lächelte kurz Marie an, schaute dann aber dezent zum Boden und knickste vor ihrem Herrn und Lady Dunja.


    Michael de Moriba schaute Fanny an und fragte:


    "Wo ist meine Frau?"


    Fanny: "Oben, Herr."


    "Geh sie holen! Wir haben Besuch."


    Fanny: "Ich werde sie holen, Herr."


    Fanny schritt eilig die Treppe aufwärts.


    Herr de Moriba drehte sich zu Lady Dunja:


    "Darf ich Euch solange in den Empfangssalon bitten und Euch Getränke anbieten?"

  • "Sehr gerne, Herr de Moriba! Ihr seid zu freundlich!"


    Mit einem reizenden Lächeln nimmt Dunja das Angebot des Kaufherrn an und läßt sich in den eleganten Salon bitten.


    "Es ist mir wirklich eine Freude, bei Euch zu Gast sein zu dürfen!"


    Sie läßt ihren Blick halb interessiert, halb wohlwollend durch den Raum wandern...

  • Marie war den beiden gefolgt.


    Michael de Moriba schaute seine Tochter an - und sie verstand sofort:


    "Ich werde mich kurz um die Erfrischungen kümmern, Vater."


    Damit war sie auch schon aus dem Salon in die gegenüber liegende Küche entschwunden. Dort fand sie Prya und ein Hausmädchen vor.


    Prya lief ihr entgegen und umarmte sie. "Marie! Du seien wieder da! Ich haben Dich sooooo vermisst."


    Marie lächelte das Mädchen an, dass von Tag zu Tag noch mehr zu wachsen schien. Sie würde Marie irgendwann einmal überholt haben in der Größe... Sie streichelte ihr übers Haar und gab ihr einen Kuss auf ihr Haupt.


    "Ich habe Dich auch vermisst. Ich werde Dir alles ganz genau berichten - aber später. Ich habe Vater am Kai getroffen und wir sind alle gemeinsam hierher. Lady Dunja ist wieder zu Gast. Und wir brauchen Erfrischungen. Machst Du bitte ein Tablett mit diversen Erfrischungen fertig? Ich will schnell wieder zurück, damit Dunja nicht alleine mit Vater bleiben muss."


    Prya nickte und fragte ängstlich: "Haben Du schon neue Herrin gesehen?"


    Marie schüttelte den Kopf. Prya schien irgendwas auf dem Herzen zu haben. Sie schaute sie etwas gequält an, als suchte sie die richtigen Worte.


    "Ich werde sie gleich kennenlernen. Ich gehe wieder in den Salon. Bitte beeilt Euch - Vater scheint Durst zu haben."


    Prya setzte an: "Marie, ich ah..."


    Marie: "Später Prya... ich muss wieder rüber."


    Marie ging wieder durch die Küchentür. Mitten im Flur kam eine Stimme herab zu ihr:


    "Ahhh... Du musst Marie sein!"


    Mitten auf der oben Treppe stand eine dunkelhaarige Frau mit strahlend blauen Augen, die vielleicht 10 Jahre älter war als sie selbst. Sie war wunderschön, auch wenn sie sehr dunkle Kleidung trug. Ihr Kleid war recht pompös weit geschnitten im Rockteil, der Ausschnitt sehr tief.


    Marie schaute zu ihr auf und ihr blieb der Atem stehen... es war soweit. Die neue Frau.


    "Ma'am." Sie knickste leicht vor ihr, um ihr Respekt zu zollen, während die neue Herrin des Hauses sich gleich die persönliche Anrede bei Marie erlaubte.


    Die neue Frau kam die Treppe hinunter und musterte Marie genauer. Sie nahm Maries Kinn in die rechte Hand und drehte das Gesicht nach rechts und nach links...


    "Nunja... ansehnlich." Sie schaute an Marie herunter. "Manche Männer mögen etwas mehr Kurven. Es wird uns wohl nicht schwer fallen, Dir einen Ehemann zu finden, wenn Du andere Qualitäten inne hast."


    Marie wusste nicht, was sie sagen sollte, hatte sie mit einer solchen Musterung nicht gerechnet. Um ihre Nervösität und Verletztheit zu überspielen sagte sie zur ihr:


    "Ich möchte Euch herzlich willkommen heißen, Ma'am, und hoffe, Ihr werdet Euch hier wie zuhause fühlen."


    Frau de Moriba lachte - obwohl das Lachen nicht herzlich klang und sagte:


    "Wer sollte sich hier nicht wohl fühlen. Ich werde gewiss noch eiinige Änderungen vornehmen müssen, um mich noch wohler zu fühlen," bei diesen Worten drehte sie sich um und schaute auf das Bild oberhalb der Treppe, auf dem Maries Mutter abgebildet war, und fügte weiter an: "Aber das war noch nie mein Problem, das nicht hinzukriegen."

  • Auch wenn Dunja Marie nur ungerne verschwinden sieht, wittmet sie sich ganz dem Herrn des Hauses und bemüht sich um ein angenehmes Gespräch,


    "Ihr habt wirklich eine ganz reizende Tochter, Herr de Moriba! Ihr könnt wirklich stolz auf sie sein!"


    Neben der üblichen Höflichkeit liegt ein feiner Unterton in ihrer Stimme, der deutlich macht, dass ihre Worte ernst gemeint sind und nicht nur dahergesagt, gleichzeitig macht sie es ihm mit einem leicht vertraulich wirkenden Lächeln unmöglich ihr zu widersprechen.
    Langsam beginnt sie Gefallen an dieser Scharade zu finden, nur Marie tut ihr leid, die nun sicher nicht mehr so erfreut darüber ist, hier nach Hause gekehrt zu sein...

  • Michael lässt sich von Lady Dunjas Charme einfangen:


    "Nunja, verehrte Lady, man sagt doch, 'der Apfel fällt nicht weit vom Stamm'" und beginnt herzhaft zu lachen. Dann erwiderte er wiederum:


    "Dann bin ich aber froh, dass Marie in der Gesellschaft bestanden hat. Ich muss zugeben, ich hatte meine Befürchtungen, ist sie doch schließlich lange in einem Kloster gewesen - abgeschirmt von dieser Welt."


    Er hielt inne... hatte er Stimmen vor der Salontür gehört.


    "Ahh... ich glaube, meine geliebte Gattin ist soeben heruntergekommen. Wenn Ihr bitte entschuldigt, Lady!"


    Er verbeugte sich und trat hinaus.

  • Die Gattin ihres Vaters trat einen kleinen Schritt zurück von Marie, doch als sie merkte, dass die Salontür sich öffnete, ergriff sie mit beiden Händen Maries Schultern, küsste sie rechts und links auf die Wange und sagte laut und deutlich:


    "Oh Marie, es freut mich so, Dich kennenzulernen. Wir werden uns gut verstehen, hab ich mir doch immer eine Tochter gewünscht."


    Marie war noch verwirrter. Eben hätte sie eine Antipathie schwören können, die von der Gattin ihres Vaters ihr gegenüber ausging und auf einmal war sie wie verwandelt und freundlich zu ihr.


    Daher brachte sie kaum ein Wort raus und stammelte nur: "Ich auch..."

  • Michael hatte beim Heraustreten aus dem Salon diese Szene wohlwollend mitbekommen und trat nun auf seine beiden Damen zu.


    "Ich freue mich, dass Ihr Euch schon bekannt gemacht habt und Euch so gut versteht!"


    Er strahlte und merkte dabei nicht, wie seine Gattin mit hochgezogener Braue triumphierend ansah.


    "Aber natürlich, mein lieber Michael," erwiderte sie..."Wir werden uns prächtig verstehen!" Sie kokettierte ihn an und schon dabei ihren Oberkörper sehr nah an seinen Arm, was Herrn de Moriba offensichtlich gefiel.


    Marie verzog innerlich das Gesicht.


    Sie mochte sie nicht. Sie verstand dieses Theater nicht. Was hatte sie vor?


    Marie hätte sich diese Frage nicht stellen sollen, denn sie würde es schon bald erfahren...

  • "Aber natürlich, Herr de Moriba!"


    mit einem kleinen Nicken entläßt Dunja den Kaufherrn zu seiner Gemahlin und atmet dann einmal tief durch. Nun mochte sie kommen, die reizende neue Frau des Händlers. Dunja muß ein Lachen unterdrücken und ruft sich dann rasch zur Ordnung. Oh, ja, sie war tatsächlich ihres Vaters Tochter...

  • Marie sah von ihr zu ihrem Vater und sagte:


    "Vater, wir sollten in den Salon zurück und Lady Dunja nicht länger warten lassen."


    Bei Maries Worten leuchteten die Augen der neuen Gattin und sie richtete sich zu voller Größe auf:


    "Lady?! Wir können doch eine Lady nicht warten lassen, Michael! Hohe Herrschaften lässt man nicht warten!" Sie hakte sich bei ihm ein und führte ihn bestimmt auf den Salon zu.


    Marie folgte beiden.


    Als sie eintraten erstarb für wenige Sekunden das Lächeln der neuen Frau de Moriba. Das war eine Lady? fragte sie sich.


    Marie ging gleich zu ihrer Freundin rüber, wo sie sich wohler fühlte, als an der Seite der neuen Frau.


    Ihr Vater stellte seine Gattin vor, die vor Dunja ebenfalls knickste, wie es sich gehörte.