Im Hafen von Rendor

  • Bereits als Frau der Moriba den Salon betritt läuft es Dunja kalt den Rücken hinunter und so kann sie ein winziges, äußerst belustigtes Lächeln nicht unterdrücken als sie den kurzen Anflug von Enttäuschung auf den Zügen von Maries Stiefmutter bemerkt, in deren Bild von Adel sie wohl so überhaupt nicht zu passen scheint. Mit einer erfreuten und gleichzeitig schützenden Geste legt Dunja ihre Hand auf Maries Arm und neigt dann erst leicht den Kopf Richtung der Händlersgattin,


    "Welch Freude Euch kennenzulernen, Frau de Moriba!"


    Sie lächelt die Dame des Hauses überaus freundlich an,


    "Wie ich bereits Eurem Herrn Gemahl versicherte, ist es mir eine Freude, zu Gast in Eurem Hause zu weilen!"


    Nur jemand der Dunja gut genug kennt, könnte ihre ausgesuchte Freundlichkeit für etwas anderes als eben diese halten...

  • Alle Personen setzten sich auf die im Kreise angeordneten Sofas. Man plauderte über Belanglosigkeiten.


    Marie wechselte immer wieder mit Dunja vielsagende Blicke. Sie wusste, dass Dunja wusste, was in ihr vorging. Marie zwang sich immer wieder zu einem Lächeln.


    Die Tür ging auf und Prya kam mit einem sehr großen silbernen Tablett mit diversen Erfrischungen hinein. Sie ging sehr langsam und schwankte etwas, war das Tablett doch recht schwer. Marie sah das und wollte gerade aufspringen, um ihr zu helfen, als sie stolperte und sich etlicher Inhalt auf die neue Gattin überhäufte.


    Diese kreischte ganz fürchterlich - war der Tee doch auch heiß und ließ dann einen Schimpfschwall auf das Mädchen nieder. Prya stand wie ein erschrecktes Reh mit weit aufgerissenen Augen vor ihr.


    „Du dummes Tölpelding! Schau, was Du getan hast! Ich hoffe für Dich, dass mir keine hässlichen Narben oder Flecken bleiben!“


    Prya schluchzte mehrfach und Marie stellte sich zwischen ihr und der neuen Frau ihres Vaters, nahm sie schnell in den Arm, um sie zu schützen, denn ihre Stiefmutter machte mit der Faust eine drohende Geste in ihre Richtung.


    Marie sagte zu der Kleinen: „Prya, geh schnell trockene Tücher holen und hol die Zofe der Herrin.“


    Herr de Moriba betüddelte seine Gattin von der Seite her mit seinem Taschentuch, die aber immer noch sehr ungehalten war und in Richtung des verschwindenden Mädchens rief: „Wir sprechen uns nachher noch!“


    Marie drehte sich zu ihrer Stiefmutter um und sagte vorsichtig: „Sie hat es nicht mit Absicht gemacht. Es war mein Fehler. Ich hätte sie nicht beauftragen sollen, sämtliche Getränke alleine zu servieren. Das Tablett war noch zu schwer für sie. Wenn Ihr also auf jemanden böse sein wollt, dann auf mich.“


    Auch Marie nahm ihr Taschentuch heraus und reichte es ihrer Stiefmutter, die sie böse ansah. Maries Vater erwiderte ebenfalls beschwichtigend zu ihr:


    „Jemanden Schuld zuzuweisen kann ja gar keine Rede sein. Mein Liebling, es war ein Versehen und sieh es ihr nach, sie ist noch jung und wird sich bessern. Vielleicht gehst Du schnell nach oben und lässt Dich von Deiner Zofe umkleiden.“


    Maries Stiefmutter schaute ihn an und schenkte ihm ein Lächeln, während ihre Augen immer noch funkelten vor Zorn.


    „Ja, mein Lieber, Du hast Recht. Wenn Ihr mich bitte entschuldigt!“


    Sie stand auf und ging ohne sich noch einmal an die Damen zu wenden nach oben.

  • Entsetzt ist Dunja Zeuge dieses kleinen Mißgeschickes geworden, doch da Marie Pyra bereits zu Hilfe eilt, hält sie sich dezent zurück. Bedauernd stellt sie fest, dass die Reaktion Frau de Moribas ihre Ahnung über selbige zu bestätigen scheinen.


    "Wie bedauerlich, aber sicher entschuldbar... wie Ihr ja bereits sagt!"


    Dunja lächelt Maries Vater verstehend an und fragt dann weiter,


    "Wer ist die Kleine? Sie schaut ganz bezaubernd aus..."

  • Der Hausherr war dankbar, dass Lady Dunja schnell das Thema wechselte.


    "Prya? Nun, ich habe sie vor etwas über einem Jahr aus Samarkand mitgebracht. Ihre Familie ist dort in meinem Kontor tätig. Sie wollten, dass sie eine andere Welt kennenlernt, eine andere Sprache, anderes Benehmen. Sie war ein richtiger Wildfang, als ich sie kennenlernte. Aber nun... Marie und Fanny haben sie gut erzogen."


    Zwei Mägde kamen herein und hebten alles Heruntergefallene auf und reinigten Teppich wie Sofa.


    "Verehrte Lady, woher stammt ihr? Marie erzählte mir, es sei von weit weg... etwas mit "T", wenn ich mich recht erinnere... wie es dort mit dem Handel von Gewürzen aus?"


    Der Hausherr setzte sich in einen Sessel neben Dunja und lächelte sie freundlich an.

  • Marie nahm das Verhalten ihres Vaters mit einem kleinen Stich in der Herzgegend wahr... er lächelte sie nie so an, wenn sie sich unterhielten, sondern gab ihr immer das Gefühl, auf der Hut zu sein, was er als nächstes von ihr verlangte.


    Abermals beneidete sie Dunja ihrer Unabhängigkeit wegen.


    Und da war es wieder... Maries betrübte Gedankengänge der vergangenen Tage. Was würde ihr Vater sagen, wenn sie ihm berichtete, dass sie von Lady Dunja ein Lehen erhalten könnte... würde er von seiner steifen Haltung abrücken, dass sie vorher heiraten müsse? Und dann war da noch die Fürstin.


    Sie musste unbedingt mit ihm sprechen.


    Sie konzentrierte sich wieder auf das Gespräch und lauschte, was die beiden besprachen.

  • "Ja, sie scheint ganz reizend zu sein...!"


    Dunja wirft einen kurzen Blick zu Marie hinüber und geht dann auf die Frage des Händlers ein,


    "Ursprünglich komme ich aus Thyngary, einem Land, wirklich sehr weit von hier entfernt, aber in den letzten Jahren habe ich mich vermehrt in meinem Lehen in Bomont, einer der Kaisepfalzen Tarons aufgehalten oder eben auf Reisen, wie nun auch."


    Sie lächelt ein wenig verschmitzt und bemerkt dann leichthin,


    "Der Gewürzhandel mit Thyngary ist kein wirklich lohnender, zu hoch die Aufwendungen für Transport & dessen Sicherheit, zu gering die Abnahme vor Ort..."


    Einen Moment scheint sie zu überlegen und fährt dann fort,


    "Die Kaiserpfalz Bomont ist hier eher zu empfehlen... auch genannt die Kornkammer des Reiches, dürfte sich dort um einiges besser Handel treiben lassen als in meiner ursprünglichen Heimat. Ja, ich wage sogar zu behaupten, dass ein anständiges und gut sortiertes Kontor dort ein echter Gewinn wäre..."


    Erneut liegt ein feines Lächeln auf ihren Zügen als sie zugibt,


    "Allerdings kann ich hier natürlich nur für mich als Verweserin über die Pfalz sprechen und ich gestehe, dass meine Kenntnisse auf dem Gebiet des Handels doch eher rudimentär sind, so dass eine Prüfung durch kundige Hand sicher nicht von Nachteil wäre!"


    Sie zuckt entschuldigend mit den Schultern und fragt schließlich ihrerseits,


    "Wie schaut es denn mit den Ostman-Inseln im Nord-Westen Mabeverins aus? Von dort so sagt man, kämen die besten & kostbarsten Gewürze..."

  • Michael freute sich, dass Lady Dunja sich fürs Handeln interessierte.


    "Ja, die Ostman-Inseln kenne ich. Wir exportieren auch von dort. Allerdings ist es dort nicht so leicht, eine Genehmigung für die Errichtung eines eigenen Kontors zu erhalten. Habt Ihr denn schon unseren hier besichtigen können. Ich würde Euch sonst gerne herumführen, wenn Ihr Interesse hättet."


    Der Hausherr sah zu Marie rüber und bat sie kurz:


    "Marie, geh bitte mal nach Deiner Stiefmutter schauen, ob es ihr gut geht. Ich mache mir ein wenig Sorgen, dass sie noch immer gram ist."

  • "Oh, ja, davon habe ich ebenfalls gehört!"


    Dunja nickt zustimmend und geht dann erfreut auf den Vorschlag des Handelsherren ein,


    "Sehr gerne! Es wäre mir eine große Freude, wenn Ihr die Zeit erübrigen könntet mir Euer Kontor zu zeigen!"


    Ihre Augen leuchten begeistert und sie schenkt ihm ein bezauberndes Lächeln, während sie verzweifelt hofft, dass Marie ihr Spiel als das erkennt, was es ist, nämlich ein Spiel. Dann bemerkt sie noch rasch,


    "Aber wäre es Eurer Gemahlin denn Recht, wenn wir sie so lange allein ließen? Vielleicht würde sie oder Marie sich uns gerne anschließen?"


    Auf freundliche & höfliche Weise versucht sie die Händlersgattin mit einzubeziehen, befürchtet sie doch, dass es für Marie nicht sehr angenehm sein dürfte, mit selbiger alleine zurück zu bleiben...

  • Der Hausherr freute sich ungemein, dass Landy Dunja Interesse an einem Rundgang hatte - fühlte er sich doch geschmeichelt.


    "Ich zeige Euch gerne alles, verehrte Lady" - dann schaute er zu Marie und sagte weiterhin: "Meine Frau wird nicht lange allein sein, wenn Marie nun nach oben geht. Sie können zu uns stoßen, wenn sie Bedarf danach haben."


    Er bot galant Dunja seinen Arm an.


    "Wollen wir?"

  • Marie nickte ihm zu kurz nach seinen Worten.


    "Ich wollte sowieso schauen, ob das Gästezimmer hergerichtet ist. Dunja hättest Du gerne noch ein Bad vor dem Essen. Du wirst ca. 1 Stunde Zeit haben, bis serviert wird. Wir könnten auch zusammen..."


    Verunsichert schaute sie zu ihrem Vater, der das ganze sicherlich unschicklich fand. Sie bedauerte auch schon wieder, dass sie es ausgesprochen hatte.

  • Mit einem letzten, entschuldigenden Blick Richtung Marie erhebt Dunja sich und legt ihre Hand leicht auf den Arm des Kaufherren.


    "Ganz, wie es Euch beliebt, Herr de Moriba!"


    Wie gut, dass Marie ihr alles bei ihrem letzten Besuch bereits gezeigt hatte, so würde ihre Unkenntnis im Bereich des Handels vielleicht nicht sofort offenbar werden. Sie verflucht die entstandene Situation und die Tatsache, dass es bei dem Händler notwendig scheint, die Rolle einer Adligen so überzeugend spielen zu müssen. Als Marie sie wegen des Bades fragt, nickt sie sofort erfreut,


    "Sehr gerne, liebe Marie und ich wäre dir überaus verbunden, wenn du mir dabei behilflich sein würdest."


    Sie zwinkert ihrer Freundin aufmunternd zu und wendet sich dann mit einem Lächeln an deren Vater,


    "In meiner Heimat ist diese Sitte weit verbreitet, dass der Sohn oder die Tochter des Hauses hohen Gästen beim Bad zur Hand geht. Wie schön, dass solche Gebräuche auch hier bei Euch gepflegt werden!"


    Sichtlich dankbar nickt Dunja dem Kaufherrn zu, in der Hoffnung, dass dieser nun keinen Rückzieher wagen würde...

  • Marie konnte nicht anders, als breit über das gesamte Gesicht zu lächeln.


    "Ich bin Dir doch immer gerne bereit," zwinkerte sie ihr zu.


    Dann schaute sie zu ihrem verduzt dreinblickenden Vater und drehte auf dem Absatz kehrt, ging durch die Tür hinauf in den ersten Stock.


    Zuerst schaute sie, ob das Gästezimmer bereits hergerichtet war. Die Mägde hatten alles feinsäuberlich ausgepackt und vorgelegt. Eines der Mädchen war noch beim Aufschütteln der Kissen.


    "Bitte richtet noch ein Bad für Lady Dunja und mich her," sagte sie zu der Hausmagd.


    "Ja, Ma'am. Fanny hat in weiter Voraussicht bereits im Badezimmer Wasser heiß machen lassen. Sie können also jederzeit ein Bad einnehmen, Misses."


    Marie strahlte die Magd an. "Danke, das ist ja wunderbar. Ach, da fällt mir ein. Ich komme nachher nochmal zu Euch allen in die Küche, wenn ihr ißt. Ich habe Euch allen natürlich etwas mitgebracht!"


    Nun war es die Magd, die breit übers Gesicht lächelte.


    Marie ging aus dem Gästezimmer und wollte kurz in ihr Zimmer gehen, als sie Stimmen hörte. Eine davon gehörte wohl ihrer neuen Stiefmutter. Diese sagte gerade zu einer anderen weiblichen Person:


    "Du wirst schon sehen! Michaels Tochter mag zwar ein gutes Gemüt haben, aber schau sie Dir selbst an. Welche Reize hat sie schon? Einen Gatten für sie finden wird daher nicht einfach sein und genau das kommt mir zugute... Wir werden ja noch sehen, wer von uns beiden zuerst einen männlichen Erben in die Welt bringt und das ganze hier erbt!"


    Eine andere, ältere Frauenstimme sagte: "Psst... Herrin, nicht so laut. Man weiß nie, ob Wände Ohren haben."


    Marie war geschickt ob der gehörten Worte und ging ganz schnell und leise in ihr Zimmer und schloss ganz vorsichtig die Tür. Sie lehnte sich mit dem Rücken an die Tür und atmete schwer.


    Oh, bei den Göttern! Was sollte das alles bedeuten? Marie kamen die Tränen. Sie ging auf uns ab in ihrem Zimmer und überlegte angestrengt, was sie tun sollte. Sollte sie es ihrem Vater sagen? Würde er ihr glauben? Sie musste mit Dunja sprechen...


    Dann fiel ihr wieder ein, dass sie ja zu iher Stiefmutter sollte, um nach ihr zu schauen. Um nicht gegen den Willen ihres Vaters zu handeln atmete sie einmal tief durch, trocknete ihre Augen und verließ ihr Zimmer.


    Sie klopfte an der angelehnten Tür des elterlichen Schlafzimmers und wartete. Eine ältere Frau mit strengem Haarknoten öffnete diese Tür und schaute sie missmutig an.


    Marie begegnete ihr mit einer aufrechten Haltung und einem leichten Lächeln: "Ich wollte mich erkundigen, ob es meiner Stiefmutter wieder besser geht und fragen, ob ich ihr behilflich sein kann?"


    Die ältere Frau musterte Marie von oben bis unten und lächelte merkwürdig.


    Aus dem Zimmer sagte die neue Hausherrin: "Lass sie ein, Magda!"

  • Während dessen zeigte Michael der Lady sein Ladengeschäft mit dahinterliegendem Lager.


    Er nahm wohlwollend zur Kenntnis, dass sie ihm immer wieder Fragen stellte und war überrascht, dass eine Frau anscheinend etwas über den Handel - und vor allem über Gewürze - verstand.


    "Ich sehe, verehrte Lady, Ihr scheint was von Gewürzen zu verstehen. Gehe ich recht in der Anname, dass ihr wohl viel kocht und gutem Essen nicht abgeneigt seid? Dann dürft Ihr Euch auf ein vorzügliches Abendmahl freuen. Wir haben von unterwegs einen Fasan mitgebracht und schwarze Fischeier - eine Delikatesse!"

  • Erstaunlicherweise findet Dunja Gefallen an dem Rundgang mit dem Händler und braucht so ihr Interesse nicht heucheln. Auf seine Worte hin lacht sie fröhlich und gibt dann zu,


    "Erwischt, werter Herr de Moriba! Ich gestehe, dass ich tatsächlich hin und wieder ganz gerne koche... wenn meine anderen Pflichten mir die Zeit dazu lassen und ich meinen hervorragenden Koch anderweitig beschäftigt weiß!"


    Sie lächelt und nickt dann zu dem, was er über das Abendessen sagt,


    "Das klingt wirklich gut! Wahrscheinlich gehört Eure Küche zu den weitgerühmten! Ich freue mich und bin sehr gespannt!"


    Überrascht stellt Dunja fest, dass der Händler durchaus recht verträglich zu sein scheint, ganz im Gegensatz zu seiner Frau...

  • Michel lacht herzhaft und laut.


    "Nunja... das meine Küche weitgerühmt ist, kann ich nicht behaupten, aber bisher hat sich noch keiner beschwert! Meine Tochter, die kann hervorragend kochen - sie hat eine ausgezeichnete Ausbildung im Kloster genossen."


    Man sah ihm an, dass er stolz auf seine Tochter war.

  • "Dieser Feststellung kann ich nur absolut zustimmen! Eure Tochter weiß in der Küche wirklich wahre Wunder zu vollbringen!"


    Dunja seufzt leicht als sie an Marie Babettes außerordentliches Talent erinnert wird.


    "Ihr könnt wahrlich stolz auf sie sein! Sie ist eine der wenigen jungen Damen, die ich kenne, die es ohne Allüren & Koketterie allein durch ihren Liebreiz schaffen, dass man sich in ihrer Umgebung wohlfühlt!"


    Ein warmes, wohlwollendes Lächeln liegt auf ihren Zügen und für einen winzigen Moment ist sie versucht den Handelsherrn persönlich darum zu bitten, seine Tochter an ihren Hof zu schicken, doch rasch vergeht die Anwandlung als ihr wieder bewußt wird, dass sie damit nur eine neue Entscheidung für Marie, über deren Kopf hinweg getroffen, herbeiführen würde. Nein... es würde allein die Entscheidung ihrer Freundin sein und egal, wie diese auch wählen würde, sie würde sie respektieren...

  • Michael sah nachdenklich aus:


    "Liebreiz? Ja, das scheint sie von ihrer Mutter zu haben. Und wenn ich sie mir so ansehe, hat sie immer mehr von meiner verstorbenen Frau - nur dass diese manchmal ein Temperament hatte..." Er musst lachen, als er daran dachte, wie oft seine geliebte Frau ihm die Leviten gelesen hatte. Aber Marie war ganz anders. Nie widersprach sie ihm oder tat etwas, was ihm missfiel.


    "Ich muss zugeben, dass ich meine Tochter nicht besonders gut kenne, da ich oft auf Reisen bin - aber sie war mir immer eine gute folgsame Tochter, ruhig und ausgeglichen in ihrem Wesen. Ich hoffe sehr, dass sie bald einen Gatten findet, um nicht mehr alleine zu sein. Und natürlich hoffe ich auf einen Erben, der dieses Reich einmal übernehmen wird."


    Seine Augen leuchteten bei dieser Vorstellung. Nicht nur einen Erben hätte er gerne - am besten noch in den Adel einheiraten, Geld hatten sie schließlich genug, um attraktiv zu sein.

  • Marie stand während dessen im Schlafzimmer ihres Vaters und ihrer Stiefmutter.


    Sie schaute sich um. Überall waren Truhen offen und Kleider verteilten sich auf Stühlen und Betten. So unordentlich hatte sie diesen Raum noch nie gesehen, was daran legen mochte, dass ihr Vater fast nie zuhause und daher das Zimmer unbewohnt war.


    Die Zofe ihrer Schwiegermutter musterte Marie immer noch eingehend und ging halbkreisförmig um sie herum.


    Marie fühlte sich unwohl dabei.


    "Ich bin gekommen, um nach Euch zu sehen, ob Ihr Hilfe braucht."


    Ihre Stiefmutter erwiderte: "Nein - ich habe ja Magda." Frau de Moriba strich sich sorgfältig über ihre Rockfalten des nunmehr dunkelgrünen, eleganten Kleides mit schwarzer Spitze.


    Marie betrachtete sie.. ihr stand auch dieses Kleid ausgezeichnet, auch wenn es wieder skandalös tief ausgeschnitten war. Sie bemerkte, dass ihre Stiefmutter wohl ein künstliches Muttermal oberhalb ihrer Brust aufmalte, was gerade in Mode kam. Marie musste unwillkürlich lächeln. Sowas hatte sie nicht nötig...


    "Seid Ihr mit dem Personal bekannt gemacht worden? Ich würde Euch sonst anbieten, sie Euch vorzustellen."


    Die neue Gattin schaute sie eiskalt an. "Ich glaube nicht, dass ich sofort alle Namen und Gesichter kennenlernen muss. Anscheinend scheint das Personal hier auch zu lange Zeit vernachlässigt worden zu sein. Das werde ich ändern. Und einige werden wohl ausgetauscht werden müssen."


    Isabell de Moriba drehte sich um, um sich im Spiegel zu betrachten, der hinter ihr stand, aber stand dabei so bedacht, dass sie Marie weiterhin beobachten konnte.


    Marie sah sie betroffen an: "Ihr meint, ihr wollt Personal entlassen? Warum? Sie sind eingearbeitet und sehr loyal. Sie werden Euch gut zu Diensten sein. Viele sind schon seit Jahren bei uns beschäftigt." Marie hatte regelrecht einen Knoten im Hals.


    "Wenn sie so tölpelhaft sind, wie das junge Ding, kann ich sie nicht brauchen. Auch nicht diese alte Frau, die hier immer herumschleicht."


    Marie setzte an: "Fanny?! Sie wird Euch nicht zu Lasten gehen, da ich sie in meinen Haushalt mitnehmen werde. Genauso wie Prya!"


    Marie wusste zwar nicht, ob ihr Vater es erlauben würde, auch Prya ins neue Heim mitzunehmen, da sie mit ihm darüber noch nicht gesprochen hatte, aber würde alles daran tun, dass sie sie mitnehmen konnte.


    Isabell erwiderte: "Nun gut, das wäre mir recht. Wann ist das neue Heim fertiggestellt? Ich meine, wir sollten hier durchs Haus gehen und bestimmen, was Du mitnehmen darfst. Ich hatte sowieso vor, einiges nach meinem Geschmack zu verändern."


    Marie nickte. Ja, das war ihr gutes Recht - auch wenn es sie schmerzte, dass ihr Heim nun einer Fremden übergeben wurde und sie sein Gesicht veränderte. Würde sie sich jemals wieder hier wohl und heimisch fühlen?

  • "Das Schicksal aller Väter, die viel auf Reisen sind..."


    Dunja nickt verstehend und lächelt dann,


    "Ich glaube nicht, dass es schwer fallen dürfte einen geeigneten Gemahl zu finden, wenn die Zeit dafür reif ist. Immerhin besitzt Eure Tochter alles, was Mann sich von einer guten Ehefrau erhoffen könnte."


    Dann werden ihre Züge nachdenklich und sie fragt vorsichtig,


    "Einen Erben...? Ihr habt eine reizende Gemahlin an Eurer Seite, glaubt Ihr nicht, dass Ihr selbst vielleicht... "


    Sie wagt ein kleines, dezentes Lächeln und senkt dann einen Moment leicht den Kopf, bevor sie ihn wieder hebt und anfügt,


    "Ein kleiner Bruder für Marie und ein würdiger Nachfolger für Euer Reich."


    Mit einer raschen Geste ihrer Hand weist Dunja auf die Kostbarkeiten um sie herum und wirft ihrem Gastgeber einen verschmitzten Blick zu...

  • "Ich? Bei Gott - ich bin zu alt dafür! Und ob meine Frau überhaupt noch Mutter werden möchte. Sie ist immerhin 13 Jahre älter als Marie - also auch in einem Alter, in dem man sich sicherlich nochmal überlegt, wirklich noch Kinder in die Welt zu setzen, ohne seine Gesundheit aufs Spiel zu setzen."


    Er wurde kurz nachdenklich. Tatsächlich hatte er noch nicht mit Isabell darüber gesprochen, war aber immer davon ausgegangen, dass sie keine Kinder mehr wollte, da er doch auch ein stattliches Alter inne hatte.


    Nein, nein - für ihn kam das nicht in Frage. Als Großvater würde er sicherlich stolz auf einen kleinen Jungen sein. Aber als Vater... er hatte schon zuviele Fehler bei seiner Tochter gemacht, die er nicht wiederholen wollte.


    "Liebe Lady Dunja. Meine Blütezeit war einmal und nun ist es an Marie, einen Erben zu bekommen. Aber darf ich Euch fragen, ob Ihr einen Gatten oder gar Kinder habt?"