Im Hafen von Rendor

  • Marie ballte ihre Fäuster, versteckte sie aber in ihren Rockfalten. Sie hatte das Bedürfnis, dieser Frau für ihr Verhalten an den Haaren zu ziehen.


    Sie atmete tief durch. Nein - sie würde sich zusammenreißen. Noch nie hatte sie jemanden etwas Böses gewünscht oder gar angetan. Sie war immerhin die neue Gattin ihres Vaters und sie könnte nichts tun, was ihm weh tun würde.


    Isabell de Moriba drehte sich wieder zu Marie um, sichtlich zufrieden mit ihrem Aussehen.


    "Du solltest ebenfalls etwas für Dein Äußeres tun, meine Liebe. Du willst uns doch nicht etwa so am Tisch beehren."


    Marie sah an sich herunter. Sie sah in der Tat von der Reise noch etwas zerknittert aus. Auch einige Strähnchen hatten sich aus ihrer Frisur gelöst.


    "Ja, Ma'am. Ich werde mich dann zurückziehen."


    Sie knickste kurz vor ihrer Stiefmutter, drehte sich um und verließ das Zimmer. Nurstraks ging sie die Treppe herunter, durch den schmalen Dielengang zum Ladengeschäft. Niemand war mehr hier - der Laden geschlossen. Draußen wurde es bereits dunkel und der Wind wehte einige Blätter gegen die Ladenscheibe.


    Marie atmetete noch einmal tief durch - löste ihre Hände, die bis dato immer noch geballt waren. Dabei bemerkte sie, dass sie ihre Nägel doch tiefer in die Haut gekrallt hatte, als ihr bewusst war. Nun schmerzten ihr die Hände.


    Dann wurde ihre Aufmerksamkeit geweckt durch die Stimmen hinter dem Vorhang und sie lauschte...

  • Dunja ist von des Kaufherrn Antwort etwas überrascht, war sie doch immer davon ausgegangen, dass Männer selten freiwillig die Möglichkeit der Fortpflanzung aufgaben. Sie nickt anerkennend und bemerkt dann leise,


    "Ihr seid ein weiser Mann, Herr de Moriba!"


    Ein feines Lächeln liegt auf ihren Zügen, während sie bedauernd mit den Schultern zuckt und bemüht leichthin auf seine Frage antwortet,


    "Wieso solltet Ihr nicht dürfen... ja, ich bin bereits seit geraumer Zeit vermählt... allerdings brach mein Gatte vor vielen Jahren auf, um neue Wege zu finden, das Königreich Thyngary vor der dunklen Bedrohung aus dem Osten zu schützen... bisher kehrte er nicht zurück, so dass ich seit dem unsere Ländereien alleine verwalte."


    Sie wendet den Blick für einen Moment ab, dann lächelt sie erneut, diesmal ein wenig traurig,


    "Kinder haben wir allerdings keine... in den Kriegszeiten waren wir zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt..."


    Dunja staunt über sich selbst und die Tatsache, dass sie Herrn de Moriba, den sie doch eigentlich überhaupt nicht kennt, so viel von dem erzählt, was sie vor anderen stets zu verbergen trachtet. Vielleicht erinnert er sie ein wenig an ihren eigenen Vater...

  • Herrn de Moriba tat es wirklich leid, dass Lady Dunja ihrem Mann vermisste und selbst auch noch keine eigene Familie hatte.


    "Ich... das tut mir wirklich leid. Ich war zwar nie ein guter Vater, der für seine Familie da war, aber so wusste ich doch immer, ich hatte wenigstens Familie, zu der ich zurückkehren konnte."


    Michael befand es unter diesen Umständen besser, das Thema zu wechseln und überlegte kurz, welches Thema er anstrengen könnte...


    In diesem Moment kam seine Tochter durch den Vorhang und trat vor ihnen.


    "Ah, Marie! Du kommst genau richtig. Ich denke, dass Lady Dunja sich nun sicherlich erfrischen möchte."

  • Marie, die hinter dem Vorhand zugehört hatte, befand, dass es besser war, dazuzustoßen, wusste sie doch, dass es Dunja eher unangenehm war, solchen Fragen ausgesetzt zu sein.


    "Ja, Vater, deswegen komme ich. Liebe Dunja, das Wasser ist bereits heiß und wartet auf uns."


    Sie zwinkerte ihr zu, auch wenn ihr nicht danach zumute war, gut gelaunt zu sein. Sie wollte sich nichts anmerken lassen über das Geschehene - schon gar nicht vor ihrem Vater.


    "Vater, Deiner Gattin geht es soweit gut. Sie ist in Eurem Schlafgemach und richtet sich her fürs Abendessen."


    Michael de Moriba trat auf Marie zu und tat etwas, was er lange nicht mehr getan hatte...

  • Michael verspürte nach dem Gespräch mit Lady Dunja das Bedürfnis, seiner Tochter Zuneigung zu zeigen und nahm seine Hand hoch und umfasste ihre linke Wange - wie weich... sie schaute ihn mit großen überraschten Augen an...


    ... die Augen ihrer Mutter. Er atmete tief, ließ die Hand sinken und sagte schließlich:


    "Dann wünsche ich Euch ein schönes Badevergnügen. Ich werde dafür sorgen, dass das Diner heute erst gegen 21.00 Uhr serviert wird, wenn es recht ist, denn dann haben die Damen Zeit, sich zu entspannen nach der Reise."

  • Dunja tritt einen Schritt zurück und betrachtet lächelnd das Bild, welches sich ihr bietet. Mochten die Götter wissen, wozu dies alles gut sein würde.
    Die Erinnerung an ihr Wiedertreffen mit Dargon war noch zu frisch, so dass sie rasch den Blick senken und ihre Rührung fortblinzeln muß, bevor sie die beiden wieder anschauen kann.


    "Ich danke Euch sehr für den Rundgang durch Euer Kontor und Eure Geduld mit meinen vielen Fragen, Herr de Moriba!"


    Ihrer Stimme ist anzuhören, dass sie die Zeit wirklich genossen hat. Dann verneigt sie sich leicht und fügt hinzu,


    "Vielen Dank! Ich bezweifle, dass es mir in Begleitung Eurer Tochter auch nur an irgendetwas fehlen könnte! Und selbstverständlich werden wir uns bemühen, Eurem Wunsch zur Genüge Folge zu leisten!"


    In ihren Augen blitzt es vergnügt und sie ergreift Maries Hand...

  • Marie nahm in diesem Moment nur noch Glück war... ihr Vater berührte sie... das hatte er zuletzt getan, als er sie im Kloster abgegeben hatte und sie sich an ihm festgekrallt und geweint hatte. Er hatte sie in den Arm genommen und dann wie jetzt ihre Wange gestreichelt und ihr gesagt, sie müsse nun tapfer sein, er würde wieder kommen. Das Wiedersehen dauerte über ein Jahr...


    Marie nahm erst wieder etwas wahr, als Dunja ihre Hand ergriff und sie freudestrahlend ansah...


    "Äh... ja... "


    Sie schritt mit Dunja durch den Vorhang, durch den kleinen Seiteneingang durch den Dielenflur, hinaus ins oberste Stockwerk.


    Als sie am Schlafgemach ihres Vater vorbeikam schaute sie Dunja an und machte "Pssttt..."


    Schnell führte sie Dunja ins Badezimmer und schloss leise die Tür...

  • Leise und ohne ein Wort zu verlieren, begleitet Dunja Marie nach oben ins Bad. Erst als die junge Frau die Tür hinter sich schließt, flüstert sie ihr ins Ohr,


    "Oh, je... da sind wir ja in was hinein geraten! Laß mich überlegen... nun haben die Wände Ohren... hmm?"


    Sie schaut Marie fragend an...

  • Marie ging an Dunja vorbei, auf und ab im Raum, rieb sich die Stirn...


    "Oh, Dunja... das ist alles so schrecklich! Diese Frau! Du kannst - Du ahnst nicht... Ich..."


    Marie knurrte, was sie noch nie getan hatte.


    "Diese Frau, sie ist so... sie ist... was findet er nur an ihr... sie ist so falsch wie ihr falscher Leberfleck auf der Brust!" entkam es ihr wütend. Ihre Augen füllten sich mit Tränen vor Wut... noch nie war sie je so wütend gewesend auf eine Person...

  • Rasch nimmt Dunja Marie in den Arm,


    "Schh... ich glaube, ich weiß was du meinst! Als sie den Salon betrat, stellten sich mir alle Nackenhaare auf!"


    Sie versucht ihre aufgebrachte Freundin zu beruhigen,


    "Wahrscheinlich hat sie deinen Vater einfach eingewickelt... er scheint mir nicht viel von Frauen zu verstehen, auch wenn ich gestehen muss, dass er mir sympathischer ist als ich erwartet hatte!"


    Ein leises Lachen entschlüpft ihr und in ihren Augen glitzert der Schalk als sie Marie zu raunt,


    "Vergiss nicht, du hast zurzeit gerade den Trumpf im Ärmel! Wie gut, dass die liebe Frau de Moriba den Adel auch für etwas Besonderes zu halten scheint...!"


    Sie kichert, fast ein wenig boshaft...

  • "Nun... sie ist 'nur' die Frau eines Handelsherren, auch wenn der ziemlich reich ist... Titel scheinen sie überaus zu beeindrucken... also geben wir ihr etwas, auf dass sie neidisch sein kann!"


    Dunja zwinkert ihr zu, wird dann jedoch kurz ernst und bemerkt leise, ohne Marie dabei anzuschauen,


    "Noch ein Grund mehr, das Lehen anzunehmen... sie würde danach nicht mehr wagen dir in die Quere zu kommen..."


    Als sie wieder aufschaut, liegt ein wehmütiges Lächeln auf ihren Lippen und sie flüstert,


    "Wir könnten sie natürlich auch die Treppe hinunterstossen, das würde das Problem ebenfalls lösen...!"


    An dem Glitzern ihrer Augen ist zu erkennen, dass dies nur ein äußerst makaberer Scherz sein soll, um Marie wieder ein wenig aufzumuntern...

  • Marie erschreckt kurz bei Dunjas letzten Worten, sieht ihr aber dann sofort an, dass sie nur gescherzt hat. Nie würde sie wollen, dass eine Person verletzt würde.


    "Meinst Du wirklich?"


    Marie ging auf und ab, um nachzudenken. Dann ging sie zum Feuer und nahm den schweren Kessel ab und füllte ihn zu dem bereits sehr warmen Wasser in die Wanne.


    "Bitte, das Wasser ist bereit. Welche Seife möchtest Du? Rose, Lavendel, Kräutermischung?"

  • "Ja! Ich habe solche Blicke schon zu oft gesehen, um mich da wirklich zu täuschen!"


    Ihre Stimme klingt ein wenig bekümmert als sie dies sagt, doch rasch wischt sie jegliche Trübsal beiseite und antwortet Marie auf ihre zweite Frage,


    "Rose! Immerhin ziehen wir nachher in die Schlacht!"


    Sie lacht vergnügt und beginnt leise eins der Kriegslieder aus ihrer Heimat zu summen. Dann fragt sie unvermittelt,


    "Kann ich dir noch irgendetwas helfen?"

  • Marie schüttelt den Kopf und hilft Dunja, sich zu entkleiden. Dann holt sie eine Schatulle hervor, aus der sie die Seife holt - genauso ein Potpouri aus Rosenblättern, das sie ins Wasser streut. Hinzu fügt sie noch die Kanne Milch, die auf einer Kommode stand und einige Tropfen Rosenöl aus einer kleinen Kristallkaraffe.


    Dunja schlüpft dann als erstes in die Wanne. Marie setzt sich mit einem Stuhl zu ihr heran und nimmt den großen Schwamm, um ihr den Rücken zu waschen...


    "Ich ... Dunja... glaubst Du wirklich, ich könnte einen Gemahl finden?"

  • Überrascht schaut Dunja Marie an und fragt dann verblüfft,


    "Ja, warum denn nicht?"


    Sie fängt mit der Hand einige der im Wasser treibenden Rosenblätter und fragt erneut,


    "Kann man die Tür eigentlich von innen absperren?"

  • "Aber natürlich - moment..."


    Marie ging zur Tür und schloss zweimal ab. Dann setzte sie sich wieder Dunja...


    "Darf ich.." sie wies auf den Schwamm...


    "Ich habe ein Gespräch zwischen meiner Stiefmutter und ihrer Zofe zufällig gehört. Sie sagte, sie wolle zusehen, selbst einen Erben in die Welt zu setzen, damit ich nicht das Erbe bzw. mein zukünftiger Sohn antreten könne. Sie meinte, das würde ihr wohl gelingen, weil ich ... weil ich keine Reize für einen Mann zu bieten hätte..."


    Marie machte eine Pause und starte Dunjas Rücken an.

  • Diese dreht sich ruckartig um und starrt Marie ungläubig an,


    "Bitte, was?!"


    Dann beginnt sie herzlich zu lachen, bis schließlich ein vergnügtes Kichern daraus wird und sie Marie bittet,


    "Komm, dieser Zuber ist riesig und damit groß genug für uns beide!"


    Sie weist einladend auf das warme Wasser und erklärt dann,


    "Ich finde es immer schöner, mich mit dir zu unterhalten, wenn ich dich sehen kann und du dich nicht hinter meinem Rücken versteckst! Außerdem hat dein Vater uns aufgetragen uns zu vergnügen!"


    Ein aufforderndes Zwinkern folgt ihren Worten...

  • Während dessen saß Michael de Moriba in seinem Arbeitszimmer über der Korrespondenz, die liegen geblieben war.


    Die Geschäfte schienen weiterhin gut zu laufen - zumindest, wenn man den Büchern Glauben schenken konnte. Das machte Michael sehr zufrieden. Zufriedener wäre er jedoch, könnte er sich langsam zur Ruhe setzen, denn auch er wusse, dass er nicht jünger wurde. Hätte er seine neue Gattin nur einge Jahre eher kennengelernt bzw. wäre für eine Ehe bereit gewesen, hätte er vielleicht noch selbst einen Nachfolger zeugen können. Nun aber lag seine ganze Hoffnung in Marie.


    Er wusste, was er ihr aufbürdete, musste er aber doch hier egoistisch sein, wenn er wollte, dass seine viele Arbeit einen Sinn hatte. Marie könnte dieses Unternehmen als Frau nicht alleine führen und es sollte im Familienbesitz bleiben.


    Dann wurde ihm ein Schriftrolle gewahr, die er noch nicht geöffnet hatte - diese aber ein ihm bekanntes Siegel trug.


    Eine Depesche von Tuok. Er bracht das Siegel und las geschwind den Inhalt.


    Seine Miene erhellte sich. Tuok berichete ihm, dass seine Tochter Anwärterin zur Hofdame bei der Fürstin Celeste von Kaotien ist und diese zur auf eine Zusage ihrerseits warte. Was für eine Fügung des Schicksals! Marie hatte zwar erzählt, dass sie des Öfteren in der Gesellschaft der Fürstin war - zuletzt sogar als Gesellschaft zu einer Reise mitgenommen wurde, aber nicht, dass sie gebeten wurde, Hofdame bei der Fürstin zu werden.


    Er nahm sich vor, noch heute mit ihr darüber zu sprechen, ob vor oder nach dem Essen. Unwillkürlich schaute er auf die Uhr und sah, dass es bereits kurz zuvor war.


    Er stand auf und ging in sein Schlafgemacht hinaus, um sich für das Abendessen umzuziehen.


    Seine Frau saß am Frisiertisch und schaute in ihr Anlitz. Sie legte gerade eins der Schmuckstücke an, welches ihr Michael nach der Hochzeit schenkte. Er hatte es für sie auf Reisen erstanden und es stand ihr vortrefflich.


    Er hatte es nicht fertig gebracht, den Schmuck seiner verstorbenen Frau an seine jetzige zu übergeben und beschlossen, diesen vollständig an Marie zu übergeben, wie er es bereits mit einigen Stücken getan hatte.


    Seine Gattin strahlte ihn an: "Mein Lieber - da bist Du ja endlich!"


    "Ich war noch im Arbeitszimmer und habe die Korrespondenz durchgesehen. Wie ich hörte, war Marie hier. Es ist schön, dass es Dir wieder besser geht - Du siehst übrigens bezaubernd aus!"


    Frau de Moriba stand auf und ging auf ihn zu: "Danke... wie bezaubernd, kannst Du mir ja beweisen..." Sie lächelte ihn verführisch an.


    Michael verstand sofort, was seine Frau wollte. "Nicht jetzt, mein Liebling - es ist schon spät. Das Dinner wird bald serviert. Aber stell Dir vor, ich habe Post von meinem alten, lieben Freund Tuok erhalten, der mir berichtet hat, dass Marie Anwärterin zur Hofdame bei der Fürstin Celeste von Kaotien ist. Sind das nicht wunderbare Neuigkeiten!"


    Michael sah sie freudestrahlend an, drehte sich dann aber um, um sich einige Sachen aus einer Kommode zu holen, während seine Gattin ihn spöttend anlächelte und erwiderte: "Für wahr, mein Lieber, für wahr..."