Im Hafen von Rendor

  • "Vater, wir sind eingeladen. In Tecklenburg bei Armande du Guesclin auf seinem Lehen Bergquell, glaub ich, war der Name. Ich wusste ja nicht, dass Du kommst, sonst hätte ich die Einladung sicherlich nicht angenommen, um mehr Zeit mit Dir zu verbringen, bis Du wieder fort bist."


    Marie sah etwas schuldbewusst aus. Zum ersten Mal seit Jahren genoss sie die Zeit mit ihrem Vater und fühlte sich von ihm akzeptiert - gesehen - es war schwer zu verstehen. Wer weiß, wann sie ihn wiedersehen würde.


    "Flora und Dunja sind auch eingeladen. Und wir treffen noch einige andere Bekannte."

  • Dunja wartet das kurze erklärende Gespräch zwischen Marie und ihrem Vater ab und antwortet der jungen Frau dann,


    "Das klingt gut! Das Packen wird sicherlich nicht allzu lange dauern, immerhin sind ja genügend Hände zum Anfassen da!"


    Sie lächelt und fragt dann höflich,


    "Werdet Ihr uns begleiten, Fräulein Clarisse?"

  • Diese schüttelt den Kopf, "Nein, ich denke nicht." Ihr Blick wandert zu ihrem Onkel hinüber, dann fügt sie noch an, "Aber es ist schade, dass ihr schon wieder aufbrechen müsst!"

  • Michael war erstaunt, dass Lady Dunja fragte. Ihm kam irgendetwas komisch vor... schluckte es aber runter.


    "Nein, Clarisse wird bei uns im Hause bleiben, verehrte Lady Dunja. Wir müssen sie noch besser kennenlernen und dann dachte ich mir, wir nehmen sie im Frühjahr auf Reisen mit. Sicherlich, liebe Clarisse, wird es Dir gefallen, andere Länder zu sehen. Und meine liebe Frau würde dann nicht mehr so alleine sein, wenn ich Geschäften nachgehe. Ich weiß doch, wie sie das langweilt."


    Er lächelte seine Gattin an und täschelte liebevoll ihre Hand.


    Diese versuchte ebenso erfreut auszusehen, wie er. Doch innerlich kochte sie vor Wut... sie wollte nicht Babysitter für dieses Balg spielen.

  • Clarisse hingegen scheint von dieser Aussicht ebenso ehrlich erfreut wie ihr Onkel, denn ein strahlendes Lächeln liegt auf ihren Zügen als sie nachfragt, "Das dürfte ich wirklich?" Sie wendet sich begeistert an ihre Tante, "Ich werde Euch sicher nicht zur Last fallen, Madame!" In ihrer Freude bemerkt sie nichts von deren Zorn.

  • Marie sagte sodann:


    "Vater, wenn es Dir nichts ausmacht, würde ich mich gerne jetzt zurückziehen, da ich noch Erledigungen vor unserer Abreise tätigen möchte."


    Dieser nickte nur.


    "Dunja, Felizitas, Maya und Clarisse - möchtet Ihr mich begleiten? Ich wollte noch in die Stadt, bevor ich mich ans Packen mache."

  • "Wenn es dich nicht stört, würde ich lieber hier bleiben, Marie!" entschuldigend schüttelt Clarisse den Kopf, "Vielleicht kann mir eins der Mädchen die hiesigen Räumlichkeiten zeigen, so dass ich nicht mehr allzu sehr suchen muss..." Sie wendet sich an ihren Onkel und ihre Tante, "Vorausgesetzt, Ihr habt nichts dagegen..."

  • Marie schaute nervös zu ihrem Vater, versuchte aber ihre Unruhe zu verbergen, indem sie sich mit der Serviette schnell den Mund tupfte:


    "Ich ... ähm... ich möchte nochmal nach meinem neuen Zuhause schauen und so... also ein paar... ähm... Besorgungen für die Reise tätigen."


    Puhhh... hoffentlich hatte ihr Vater nichts gemerkt - sie konnte doch so schlecht lügen. Aber eigentlich hatte sie ja nicht wirklich gelogen, nur nicht alles gesagt. Ihr Vater würde böse werden, wenn er wüsste, dass sie sich noch immer mit den Waisenkindern herumschlug. Aber sie sehnte sich nach den kleinen Kinderarmen, die sie umschlangen, wenn sie sie besuchte und ihnen etwas vorlas. Sie würde diesmal dafür keine Zeit haben. Aber sie würde dem Waisenhaus Geld geben und neue Pullover, Schals und Mützen, die Fanny für die Kinder gestrickt hatte. Außerdem beabsichtigte sie, Gewürze mitzubringen, damit die kleinen Weinachtsbäckereien vollbringen konnten.

  • "Aber nein, mein Kind," wandte sich Michael an Clarisse: "Tue, was immer Dir beliebt. Prya kann Dir das Haus zeigen, wenn Du möchtest. Solltest Du noch irgendwas brauchen, sag Bescheid. Ihr könntest auch zusammen einkaufen, wenn Du noch Dinge benötigst wie Kleidung und was eine junge Dame noch so braucht!"


    Er schmunzelte... er wusste nur zu gut, dass junge Damen so einiges brauchten... wenn er Maries Rechnungen jedes Mal sah... aber er liebte sie so sehr, dass es ihm gleich war, was auch immer sie kaufte. Er wusste doch, dass sie nie zuviel ausgab und selbst bescheiden war, denn er hatte schon vor langer Zeit bemerkt, dass sie das Personal mit solchen Kleinigkeiten beschenkte. Das lag wohl auch daran, dass sie in einem Kloster aufgewachsen war und dort lernte, alles zu teilen.


    Andererseits musste er ihr manchmal einen Riegel davorschieben, ansonsten würde sie alles verschenken, was sie besäße - oder er... einmal, als er mitbekam, dass sie Gewürze an Arme verschenkte oder Geld und Geschenke an dieses Waisenhaus, hatte er sie ermahnen müssen. Schließlich sei er Kaufmann, nicht die Wohlfahrt.

  • "Oh, ich..." Clarisses Blick fällt auf die ausgesuchte Gaderobe der Tante und das feine Tuch, welches sowohl der Kaufherr als auch Marie tragen und dem Mädchen wird bewußt, dass ihr eigenes Kleid eher etwas schlicht gehalten ist. Sie errötet verlegen und bemerkt dann leise, "Ich habe gar nicht so weit gedacht... ich wußte ja nicht, was mich hier in Rendor erwarten würde..." Hilfesuchend wandert ihr Blick zu Marie, nur um dann rasch wieder abzuschweifen, sicherlich hatte ihre Cousine für solche Kleinigkeiten nun gerade wirklich keine Zeit.

  • Spontan schlägt Dunja, der die Verlegenheit der jungen Frau nur zu bekannt vorkommt, vor,


    "Wie wäre es, wenn Ihr uns doch begleiten würdet, Fräulein Clarisse? Marie weiß gewiss mehr als eine gute Stelle, an der man hier in Rendor die unterschiedlichsten Dinge kaufen kann und wenn ich es recht bedenke, so würde ich vielleicht doch auch gerne noch die ein oder andere notwendige Kleinigkeit für die Reise erstehen!"


    Sie wendet sich an Marie,


    "Sag, was hälst du davon?"

  • Sie fängt den unsicheren Blick von Clarisse auf und sagt beruhigend zu ihr:


    "Ich würde gerne mit Dir einkaufen gehen, Clarisse - doch leider bleiben uns nur noch wenige Stunden, dann müssen wir aufbrechen, sonst kommen wir zu spät. Daher werden wir nur wenige Geschäfte schaffen können - aber wenn Du trotzdem mitkommen möchtest, würde mich das freuen. Ansonsten ich kann Dir Fanny wärmstens für größere Einkaufstouren ans Herz legen. Sie weiß, was Du brauchen wirst."


    Marie wäre wirklich gerne ausführlich mit Clarisse Kleider einkaufen gegangen, wusste sie aber, dass so etwas Zeit in Anspruch nahm und die würde sie nicht haben - wollte sie doch unbedingt noch ins Waisenhaus. Hoffentlich würde ihr Clarisse deswegen nicht böse sein.


    "Außerdem - sofern Du möchtest - könnte Fanny Dir Kleider zeigen, die ich nicht mehr trage und sie Dir vielleicht abändern - sofern Du überhaupt möchtest. Wie schade, dass meine Schneiderin gerade nicht in der Stadt weilt. Soweit ich weiß, ist sie wieder auf Tour, um für ihre Heilergruppe Rezepte aus fernen Ländern zu finden."


    Marie musste an Meril denken - diese Frau konnte einfach nicht lange und still an einem Ort verweilen. Immer hatte sie zu tun und war unterwegs. Wie es ihr wohl erging? Bei ihrer Ankunft hatte sie wieder ein Paket von ihr vorgefunden mit einem warmen Wollüberkleid. Sie musste unbedingt noch was Schönes für sie kaufen - auch wenn diese kein Weihnachten feierte...

  • "Oh, ja! Das wäre prima!" Clarisse strahlt erneut über das ganze Gesicht, "Dann würde ich gerne mit Fanny gehen!" Sie hatte die nette Frau, die ihr die Tür geöffnet und damit so vieles für sie verändert hatte, sofort ins Herz geschlossen und ahnt nun intuitiv, dass diese ihr guten Rat geben konnte, was angebracht war im Hause ihres Onkels und was nicht. "Ich hoffe, du bist mir dann nicht böse, wenn ich doch lieber hier bleibe & mir von Pyra alles zeigen lasse?"

  • "Aber nein - ich kann das vollkommen verstehen."


    Marie sah Dunja fragend an. "Treffen wir uns gleich in der Eingangshalle? Ich muss noch kurz einige... ähm... Sachen holen und so."


    Marie musste schnell noch die große Tasche von Fanny zum Seiteneingang schaffen lassen, in dem die gestrickten Sachen sich befanden. Außerdem hatte sie ihrem Lehrbub aufgetragen, einige Gewürze zusammenzusuchen und zu verpacken. Sie würde ihn mitnehmen müssen, waren die Sachen doch für die alleine zu schwer.


    Sie schaute aus dem Fenster. Es hatte begonnen, zu schneien! Das war ihr noch gar nicht aufgefallen - wie wunderschön! Das würde heißen, sie könnten zum Transport vielleicht schon den Waren-Schlitten nehmen. Sie freute sich schon, die ersten Schneeflocken auf ihrem Gesicht zu spüren.

  • "Danke," lächelte Marie Dunja an.


    "Felizitas - wenn Du noch mit möchtest, dann treffen wir uns gleich in der Eingangshalle."


    Damit stürmte Marie auch schon aus dem Raume. Sie musste sich sputen, in kurzer Zeit alle Sachen zu finden. Sie wollte auch ältere Kleidungsstücke mitnehmen, die immer gerne im Waisenhaus bzw. der dazugehörenden Gemeinde genommen wurden. Gerade jetzt, wo es begonnen hatte, zu schneien, würde jedes Kleidungsstück willkommen sein und benötigt werden.


    Sie schaute im Flur aus dem Fenster und sah, dass es schon ganz schön ordentlich geschneit hatte. Wie lange es her war, dass hier mal richtig viel Schnee lag.
    Kurz in der Küche hereingeschaut, sagte sie zu Fanny, dass diese die Sachen zum Nebeneingang bringen und der Waren-Schlitten bereitgemacht werden sollte.


    Dann hastete sie immer zwei Stufentreppen nehmend hoch in ihr Zimmer und packte eilig einige Leinensäcke, die ihr Fanny hingelegt hatte. Auch einige Bücher tat sie dazu - wusste sie doch nur zu genau, wie sehr die Kleinen gerne vorgelesen bekamen.

  • Dunja schaut Marie einen Moment lang nachdenklich hinterher, dann zuckt sie mit den Schultern, verabschiedet sich von Maries Vater & deren Stiefmutter, sowie von Clarisse und macht sich dann mit Felizitas & Maya auf den Weg in die Eingangshalle, um dort auf Marie zu warten...