Das Haus von Alanis am Oberen Stichweg (2)

  • Nachdem die Priesterin gut gelaunt aus der Stadt zurückgekommen war, riss sie in ihrem Haus erneut alle Fenster und Türen auf und machte sich daran, zumindest in Küche und Schlafzimmer dem schlimmsten Staub zu beseitigen. In einem alten Rock, in Bluse und mit einer Schürze und einem 'Kopftuch angetan, fegte und wischte sie kräftig durch und wunderte sich, wie in ein verschlossenes Haus so viel Staub hineinkommen konnte. Dann stieg sie hinab in den Keller und räumte alle vergammelten Lebensmittel in einen Sack, den sie erst einmal in den Verschlag stellte, in dem neben dem Haus das Holz lagerte.


    Irgendwann während der Aufräumarbeiten wehte ein kleiner, weißer Zettel, der unter der Tür geklemmt hatte, hinaus auf den Weg, doch Alanis, die gerade Holz in die Küche schleppte, kam nicht dazu, ihn zurückzuholen.


    Schließlich und endlich verschnaufte sie ein wenig, noch immer im Durchzug in ihrer Küche stehend, wusch sich die Hände und machte sich daran, einen Teig zuzubereiten, den sie in einer abgedeckten Schüssel unter einem Tuch draußen in der Sonne auf der Fensterbank stehenließ.


    Und schließlich dann bewaffnete sie sich mit einer Harke und einem Korb machte sich auf den Weg hinters Haus in den Teil ihres Gartens, den man schon als Garten erkennen konnte. Im vergangenen Herbst hatte sie zwei Apfelbäume gepflanzt und sie freute sich darüber zu sehen, dass die beiden Bäume gut angewachsen waren. Bis man eine Hängematte zwischen sie hängen könnte, mussten allerdings noch ein paar Jahre vergehen. Auf der Fläche, die sie bereits eingeebnet und ein großes Beet angelegt hatte, hatte sich indes das Unkraut breit gemacht, dem Alanis mit Elan zu Leibe ging. Obwohl eine kühle Brise vom Meer hinaufwehte, wurde ihr in der Sonne schnell warm.

  • Es dauerte einige Zeit bis der Priester die Tagesgeschäfte erledigt hatte und sich mit kurzen Worten von den anderen beiden Priestern im Tempel verabschieden konnte.


    Dennoch waren die Schritte die Damorg zu seiner Geliebten brachten nicht hastig, zu sehr freute er sich über das schöne Frühlingswetter. Als er dann dennoch vor dem Haus der Priester angekommen war, klopfte er kräftig gegen die Tür.


    "Hallo?"

  • Alanis hörte das Rufen nur dumpf hinter dem Haus und entschied sich, mit ihren erdigen Schuhen nicht durch ihre gerade saubere Küche zu gehnen. So umrundete sie das Haus, sich die schmutzigen Hände an der Schürze abwischend und ging über den Rasen, der neben dem Haus noch spross. Sie lehnte sich mit der Schulter gegen die Hausecke.


    "Na, alle Verpflichtungen erledigt?" Sie wischte sich mit dem Handrücken über die Wange und hinterließ prompt einen Schutzstreifen.

  • "Alles erledigt."


    Er nickte der Priesterin zu, nachdem er sie entdeckt hatte. Ein schmunzeln auf den Lippen.


    "Und du schon an der Arbeit wie ich sehe."

  • "Ich will Dir ja in nichts nachstehen, wenn ich Dich gleich mit Beschlag belege." Sie deutete auf den Verschlag neben dem Haus. "Da drin sind Rundhölzer, Haken, Handbeil und Schaufel. Wie schon gesagt, ich brauche eine Wäscheleine." Die Priesterin schaute betont scheu zu Boden. "Und ich fürchte ich kleine schwache Frau kann das nicht alleine."

  • Damorg seufzte.


    "Also auf an die Arbeit. Ich will hoffen die Belohnung ist gut. Wobei ich nichts anderes erwarte."


    Er schmunzelte und ging einige Schritte auf sie zu.

  • Damorg erwiderte den Kuss. Als er sich von der Priesterin entfernte, war sein Grinsen noch breiter geworden.


    "Dann mal los an die Arbeit. Sonst wird das nichts mehr."


    Sanft streichte er dabei über ihre Schulter.

  • Alanis seufzte und schloss kurz die Augen, schien etwas zu überdenken. Dann klärte sich ihre Miene wieder.


    "Ja, ich weiß. Vielen, vielen Dank." Sie ging vor in den Garten und zeigte ihm die Stellen, an denen sie gerne die Pfähle in der Erde hätte. Dann nahm sie ihre Hacke wieder auf und machte sich daran, die bislang gelockerte Erde ordentlich in Reihen aufzuhacken. Hin und wieder zupfte sie ein wenig Löwenzahn oder Disteln aus.

  • Damorg ging an den Schuppen und suchte sich die notwendigen Sachen für seine Arbeit. Bevor er jedoch mit der Arbeit anfing, nahm er sich die Zeit noch einmal alles zu überdenken. Nachdem der Plan jedoch gefasst war, gab es keinen Grund zum Zögern mehr.


    Allerdings konnte er es nicht unterlassen der Priesterin immerwieder seitliche Blicke zuzuwerfen.

  • Alanis arbeitete konzentriert und ruhig, fast meditativ. Ihre roten Wangen zeugten davon, dass sie sich anstrengte. Irgendwann, als sie sich hinunterbeugte, um den mit Unkraut gefüllten Korb aufzunehmen, rutschte ihr die Bluse von der Schulter. Als sie sie zurückschob, fing sie Damorgs Seitenblick auf und richtete sich wieder auf.


    "Ist was?", fragte sie belustigt. "Habe ich Dreck im Gesicht?"

  • "Das hast du schon lange."


    Er grinste sie an und zuckte mit den Schultern.


    "Der Blick rührte aber eher daher, dass ich mich freue dich zu sehen."

  • "Was? Oh." Sie wischte sich mit dem Handrücken über Wangen und Stirn und bewirkte eigentlich nur, dass sich der Dreck noch gleichmäßiger verteilte. Schließlich gab sie es auf und schüttelte den Kopf, dann nahm sie den Korb hoch und trug ihn zum Waldrand, wo sie ihn an einer Stelle entleerte, an der sie plante einen Komposthaufen zu errichten. Auf dem Rückweg schenkte sie ihm ein liebevolles Lächeln, das, wie sie hoffte, ihm deutlich machte, dass sie ebenso empfand wie er. Aber es gab einfach Dinge, die sie inzwischen nicht mehr in Worte fassen wollte, weil sie so sehr Teil ihrer gemeinsamen Lebensrealität geworden waren, dass sie sie als unnötig empfand.


    Dann verschwand sie im Haus und kam mit einem Krug Wasser und zwei Bechern wieder heraus. Sie stellte die Sachen auf die Erde in ihrer beider Nähe und begann wieder zu arbeiten.

  • Auch Damorg wendete sich wieder seiner Arbeit zu. Er grub an den Stellen, an denen die Pfosten stehen sollen, zwei Löcher und bettet dort das Holz in die Erde. Die Arbeit war anstrengend umsomehr spürte er die kräftige Sonne auf seinem Rücken. Die Tropfen rannen seine Stirn herunter.

  • Alanis hatte sich unterdes mit einer Wurzel angelegt, die genau dort verlief, wo sie ihre Kartoffeln setzen wollte. Mit großem Elan hackte sie auf das Stück Holz ein, so dass die Erde nur so flog und jede Hoffnung, dass sie die Sache einigermaßen sauber überstehen würde, nachhaltig begrub.


    Danach trank sie erstmal einen Schluck Wasser aus ihrem Becher, bevor sie schließlich das Unkrautzupfen beendete und fünf lange, parallele Gräben anlegte, in denen sie am nächsten Tag einsäen wollte. Schließlich richtete sich sich auf, stemmte eine Hand in den schmerzenden Rücken und blickte zu Damorg hinüber, einen Arm locker auf der Hacke aufgestützt. Sie beobachtete ihn erst eine Weile schweigend und nachdenklich, dann erkundigte sie sich:


    "Kommst Du zurecht? Wenn ja, mache ich mich schonmal an's Backen."

  • "Sicher."


    Für seine Antwort richtete er sich nicht einmal richtig auf. Der Priester stapfte bereits die Erde um den ersten Pfosten wieder fest. Ein tiefer Seufzer entrang sich seiner Kehle, als er damit fertig war.

  • Für einen Moment betrachtete Alanis wohlwollend seine Kehrseite, schmunzelte vor sich hin und brachte dann ihr Arbeitsgerät in den Unterstand zurück, wo die Werkzeuge seit dem Hausbau untergebracht waren. Dann kehrte sie noch einmal hinter das Haus zurück, um einen frischen Eimer Wasser aus dem Brunnen zu ziehen. Ihre verdreckte Bluse und die Schürze zog sie aus und wusch sich, nur noch im Rock und kurzärmeligen Mieder, Arme, Gesicht und Nacken. Sie fröstelte kurz, als ihr das Wasser den Rücken und Bauch hinunterlief und prüfte kurz den Sitz des Verbands an ihrem linken Oberarm, bevor sie die schmutzige Kleidung aufnahm und zum Haus ging. Vor der Schwelle der Hintertür stieg sie aus den schlammigen Schuhen, um dann auf blanken Füßen in's Haus zu gehen. Sie warf die Wäsche einfach in ihren Rückenkorb, der noch immer in der Küche stand. Den würde sie ein andermals auspacken und seinen Inhalt waschen - wenn die Wäscheleine stand.


    Im Schlafzimmer trocknete sie sich kurz ab, dann zog sie eine saubere Bluse an. Und dann ging alles seinen gewohnten Gang. Sie hing einen kleinen Rost an ihre Feuerstelle und entzündete einige Scheite mit einem Schwefelholz. Den Teig von der Fensterbank, der gut aufgegangen war, rollte sie auf der Arbeitsfläche zu kleinen Fladen aus, die sie mit Schmand, Schinken, Pilzen und Käse belegte und dann zuklappte. Hin und wieder während ihrer Arbeit blickte sie aus der noch immer offenen Hintertür. Es hatte etwas herrlich Normales, dieser Augenblick. Sie hatte sich danach gesehnt und eine noch tiefere Ruhe und Zufriedenheit als die, die sie eh schon empfand, breitete sich in ihr aus.

  • Es dauerte noch einige Zeit, bis auch der zweite Pfosten im Erdreich verankert war und der Prietser vorsichtig testet, ob sie der bevorstehenden Belastung trotzen konnten. Als er mit seiner Arbeit zufrieden war, wendete er sich dem Krug mit Wasser zu und leerte zwei Becher in Folge und lies lies das klate Nass seinen Brand löschen.


    Erst dann riskierte er einne vorsichtigen Blick in die Küche.

  • Inzwischen buken die Flammtaschen auf dem Grillrost und Alanis hatte den Tisch gedeckt. Tatsächlich hatte sie auch zwei Frühnarzissen in einer Vase auf den Tisch gestellt. Als sie Damorg in der Tür entdeckte, lächelte sie.


    "Fertig?", erkundigte sie sich. "Weiterhin Wasser - oder Wein zum Essen?"


    Sie hob eine Flasche an, die noch auf der Anrichte stand. Die Priesterin war immer noch barfuß, aber im Angesicht der warmen Brise, die durch die Tür drang und den Geruch nach Wald und Meer verband, konnte sie das auch sein.

  • "Wasser, danke."


    Der Priester machte einen Schritt durch die Tür.


    "Soweit alles fertig, nur die Leine selbst fehlt noch. Bei der Arbeit merkt man erst wie warm die Sonne schon ist."


    Er blähte die Backen auf und lies die Luft entweichen, mit dem Ärmel seinerTunika wischte er sich über die Stirn.