Die Taverne "Zum Zaunkönig" (9)

  • Thraxas bewegte sich geschmeidig durch das Treiben im Wirtshaus. Jahrelange Übung in den Schänken Angbars als junger Soldat vergaß der Körper eben nicht so einfach. Auch er bemerkte die neugierigen Blicke und erwiderte so manchen Blick, grimmig, um sich erstmal Respekt zu verschaffen. Er wußte, daß seine Größe und seine ungewöhnliche Erscheinung alleine schon Eindruck auf so manchen einfachen Bauern und Händler machten und ein grimmiger Blick tat sein übriges.


    Am Tisch angekommen nahm er Alanis den Mantel von den Schultern und fragte, danach: "Darf ich?"

  • "Nein", lautete Alanis trockene Antwort, dann setzte sie sich an den Tisch. Mit dem Ärmel wischte sie beiläufig einige Spritzer Bier weg, die noch auf der Tischplatte schimmerten. "Aber ich schätze Du hättest Dich eh nicht abbringen lassen." Ihre Stimme schwankte zwischen Resignation und widerwilliger Akzeptanz. Sie winkte einer der Schankmaiden zu, als diese in ihre Richtung sah und wenig später stand das dralle, blonde Mädchen bei ihnen und erzählte, was es an diesem Abend zu essen gab. Ein Hirschgulasch mit Karoffeln und Preiselbeeren oder Bratkartoffeln mit Speck und Eiern. Alanis entschied sich für Ersteres und bestellte sich einen Becher verdünnten Gewürzweins - nach dem totalen Absturz in der vergangenen Nacht legte sie es wirklich nicht auf eine Wiederholung an. "Also, eine Lektion in Zwergisch, bitte?", nahm sie das Gespräch von vor einigen Minuten wieder auf.

  • Thraxas bestellte für sich das gleiche Gericht wie Alanis und dazu Bier. An Alanis gewandt sagte er: "Ja, gern, aber zuerst zum Mantel. Natürlich könnt Ihr mich davon abhalten. Ich weiß jetzt, daß Ihr es nicht wünscht und werde es unterlassen." seine Stimme war von aufrichtigem Ernst.


    Heiterer fuhr er fort: "Wie habt Ihr erkannt, daß es zwergisch ist? Sprecht Ihr zwergisch und ist es nur wenig oder sprecht Ihr es gar nicht?


    Die Übersetzung der Worte ist ganz einfach. Garasch ist der Wortstamm für Eltern und na oder o die Endung für weiblich oder männlich. Garaschna, die Mutter, Garascho, der Vater. Garoscho heißt Bruder."

  • Alanis stützte das Kinn in die Hand und lächelte breit.


    "Ich mag nette Gesten, aber ich werde auch gerne vorher gefragt, nicht hinterher. Das ist das einzige, was ich daran zu meckern habe", erklärte sie versöhnlich und fuhr dann fort:


    "Ich spreche nur ein paar Worte Zwergisch. Interessanterweise sind sich die zwergischen Sprachen in den verschiedenen Länder ziemlich ähnlich, vor allem in der Sprachmelodie. Das Selbe gilt für das Elbische. Auch wenn die Sprachen verschieden sind, ist der Klang gleich. - Mein Elbisch ist übrigens auch ganz miserabel."


    Am Nebentisch ging es derweil hoch her. Eine Gruppe junger Männer spielte ein Würfelspiel, trank Bier und johlte hin und wieder auf, wenn ihnen das Glück hold war.

  • "Ich hatte mich auch mal bemüht ein paar Worte Elbisch zu lernen und kann sogar das eine oder andere noch, aber es reicht zum Glück nicht für eine Unterhaltung." Thraxas' Miene war finster als er das erzählte. "Zum Glück für uns alle kennen aber viele Nichtmenschen die Gemeinsprache und man kann sich leidlich verständigen." fuhr er fort.


    Während sie sprachen huschte Thraxas' Blick immer wieder zu den Glücksspielern, teilweise sogar einige Augenblicke und er schien verschiedene Spieler beim Würfeln genau zu mustern.

  • "Zum Glück? Du magst keine Elben?", forschte Alanis nach und nahm dann von der Schankmaid ihr Getränk entgegen. "Ich ehrlich gesagt auch nicht sonderlich, bis auf wenige Ausnahmen." Die junge Bedienstete, die auch Thraxas sein Bier brachte und ihm kurz dienstfertig zulächelte, war ziemlich flink auf den Beinen und schaffte es mühelos, sich zwischen den voll besetzten Tischen zu bewegen, ohne irgendwo anzustoßen oder den angezechten jungen Männern in die Arme zu laufen, die sich um ihre Aufmerksamkeit bemühten. Alanis nahm einen Schluck Wein und bemerkte dann, dass ihre Gesellschaft abgelenkt war. Sie warf einen schnellen Blick zum Nebentisch hinüber und blickte den Landsknecht dann fragend an. "Willst Du Dich dazu gesellen?"

  • Der Landsknecht wandte seine volle Aufmerksamkeit wieder Alanis zu. "Was?"´fragte er, um mit nur einem Wimpernschlag Verzögerung fort zu fahren: "Nein. Nein, das möchte ich wirklich nicht. DIe Hälfte von denen sind Stümper und einer oder zwei spielen nicht ganz ehrlich." Nach einem kurzen Seitenblick zu den Spielern, schaute er wieder zu Alanis. "Wie kann man als Anhänger des Lichts Elben nicht mögen. Diese aus Licht selbst geschaffenen Wesen?" seine Stimme troff vor Hohn. "Ihr habt recht, ich mag eigentlich keine Elben und meine Familie und meine Freund im Regiment haben mich immer vor Ihnen gewarnt. Was allerdings bei Zwergen ja auch kein Wunder ist. Ich mußte aber natürlich meine Erfahrungen alleine machen. Ich glaube, Elben sind nicht besser und nicht schlechter als die Menschen auch. Wir durchschauen sie aber schwerer und somit sind sie eben mit besonderer Vorsicht zu genießen.


    Haelga würde mich für diese Verallgemeinerung mal wieder schelten." lachte er und es hörte sich ein bisschen wehmütig an.


    "Aber warum mögt Ihr keine Elben, schlechte Erfahrungen?" fragte er unumwunden.

  • "Stimmt, Elben sind genauso wenig der pure Licht wie Du oder ich." Die Geweihte winkte ab. "Sie sind Geschöpfe der wilden Natur, die bekanntlichermaßen ziemlich gnadenlos sein kann. Dazu sind sie meist mit unglaublicher magischer Macht ausgestattet und dazu besitzen sie auch noch ein Selbstverständnis der Dinge, das wir mit unseren sterblichen menschlichen Geistern nicht nachvollziehen können. Alles in allem keine Kombination, die mir Vertrauen einflößt. Ich muss die Dinge verstehen können, um sie zu mögen. Aber Haelga hat schon ganz Recht - für jede Regel gibt es Ausnahmen. Ich kenne einige Elben, die ich vorsichtig als Verbündete bezeichnen würde." Sie hob die Schultern und warf dann einen weiteren, etwas längeren Blick zum Nebentisch. "Hm", meinte sie dann, als sie bemerkte, dass einer der Spieler der Schankmaid ziemlich direkt an den Hintern griff. Alanis Augenbrauen furchten sich und für einen Moment sah sie richtiggehend zornig aus, doch da hatte sich das junge Mädchen schon gelöst und dem Widerling derart auf den Hinterkopf gehauen, dass es klatschte. Der Bestrafte sackte ein Stück in sich zusammen und machte keine weiteren Anstalten, sich der Schankmaid zu nähern oder aus der Haut zu fahren. Daraufhin entspannten sich Alanis Gesichtszüge wieder und sie blickte zu Thraxas zurück. "Und wie bist Du zu Haelga gekommen - oder Haelga zu Dir? Ich mag sie. Sie ist ziemlich direkt."

  • Thraxas beobachtete die gleiche Szene wie Alanis nur mit größerem Vergnügen. Dieses Mädchen wußte sich zur Wehr zu setzen und das war gut so. Der plumpe Trottel hatte seine Lektion aber wahrscheinlich trotzdem nicht gelernt.


    "Wie kam ich zu Haelga?" wieder holte Thraxas Alanis' Worte. "Ja, eigentlich kam ich zu ihr, wie sie zu mir. Wir trafen uns auf einem Feldzug im Lazarett, erkannten, daß wir gut zusammenarbeiten konnten. Mir gefiel ihre selbstbewußte, direkte Art und ihre nicht vorhandene Furcht mir ordentlich die Meinung zu sagen." Der Landsknecht lachte. "Das war vor einigen Jahren. Dann haben sich unsere Wege getrennt und vor fast einem Götterlauf trafen wir uns zufällig wieder und reisten einige Götternamen zusammen. Allerdings haben sich unsere Wege gerade wieder getrennt. Mal sehen, ob es den Göttern gefällt sie wieder zusammen zu führen."

  • "Einige Götternamen zus...ach, Du meinst Monate", schloß Alanis aus ihrem Wissen über Thraxas Heimatkontinent. Sie nahm einen Schluck Wein und blickte für einen Moment anerkennend drein - es war ein guter Tropfen. "Was sind Deine Pläne für die Zukunft?", fragte sie dann recht direkt weiter, während sie den Weinbecher zwischen den Händen drehte. "Außer ein wenig hier zu bleiben? Willst Du Dich irgendwo verpflichten?"

  • Thraxas lächelte Alanis an. "Ja, ihr würdet Monate sagen statt Götternamen und Jahre statt Götterläufe. Ihr reist zuviel mit Aventuriern, wenn Ihr das schon wisst."


    Immernoch lächelnd fuhr er fort: "Ich kann mich nicht verpflichten, ich bin bereits verpflichtet. Ich bin mir verpflichtet und meiner Aufgabe Hoffnung zu verbreiten und Menschen, die es sich nicht leisten können zu heilen. Ebenso, wie ich verpflichtet bin denjenigen den Tod zu bringen, die die Finsternis heraufbeschwören oder dem Chaos unrettbar anheimgefallen sind." gegen Ende hatte sein Lächeln etwas raubtierhaftes und seine Augen wurden kalt und bohrten sich in die von Alanis.

  • Alanis hörte zu und nickte vor sich hin. Ja, das konnte sie alles sehr gut nachvollziehen und doch regte sich in ihr etwas, das sie dazu sagen musste.


    "Und ich hoffe neben all dem bist Du auch noch ein wenig Dir selbst und Deinem Wohlergehen verpflichtet", bemerkte sie sanft, halb Frage und halb Wunsch aussprechend, seinen harten Blick ohne zu Zucken aushaltend. Die Anspielung über das Chaos verstand sie recht gut, aber sie ging nicht darauf ein. Nicht die Zeit, nicht der Ort... . Später.

  • Thraxas lächelte milde. "Nein, mein Wohlergehen spielt keine Rolle mehr."


    Dann kam das Essen, die Unterhaltung erstarb kurz und Thraxas bestellte ein weiteres Bier. Dann wandte er sich dem Essen zu. "Gutes Gelingn!" sagte er und nahm den ersten Löffel Gulasch in den Mund.

  • Alanis widerstand der ersten Versuchung, ihm zu sagen, dass er ein Dummkopf war. Auch der zweiten und dritten Aufwallung von Widerspruch gegen seine Aussage konnte sie die Stirn bieten. Sie konnte ihn wohl kaum wegen etwas rügen, das sie selbst hin und wieder so empfand. Ein Esel sollte den anderen nicht Langohr schimpfen.


    Man merkte ihr an, dass es in ihr arbeitete und so senkte sie schließlich den Kopf über dem Essen, um sich einen Zeitaufschub für eine Antwort zu erkaufen. Erst nach einigen Löffeln bemerkte sie, daß es gut und sie ziemlich hungrig war. So sprach sie bis zum Ende der Mahlzeit nicht mehr, bis sie das Besteck ordentlich abgelegt und noch einen Schluck Wein getrunken hatte.


    "Erlaube mir, das anders zu sehen", sagte sie leise. "Aber ich werde darüber keinen Streit mit Dir anfangen. "

  • Thraxas lächelte wieder und lehnte sich nach beendetem Mahl zurück. "Natürlich erlaube ich Euch das. Vorallem, weil ich es wahrscheinlich in mehr als der Hälfte aller brenzligen Situationen genauso sehen werde." sagte er.


    "Und Ihr hättet ruhig sagen können, daß Ihr mich für einen Dummkopf haltet, es stand mehr als deutlich in Eurem Gesicht, Meisterin. Und Streit sollten wir deshalb wirklich nicht anfangen, denn er wäre sicher vollkommen fruchtlos. "


    Thraxas nahm einen großen Schluck Bier und winkte der Schankmaid für ein weiteres.

  • Alanis trank ihren Wein aus. Auch sie bedeutete der Schankmaid, ihr noch einen zu bringen. Nach dem guten Essen würde sie ihn vermutlich auch noch vertragen. Falls nicht, würde sie dennoch gut nach Hause kommen, daran hatte sie keinen Zweifel.


    "Vor allem Anderen ist so eine Einstellung - taktisch unklug", antwortete sie nach einem Moment, den sie genutzt hatte, um sich zu sammeln. "Dem Licht nützt es überhaupt nichts, wenn man vor lauter Selbstkasteiung am Boden kriecht. Nur wer einen festen Grund hat, auf dem er stehen kann, kann festen Grund für andere Menschen geben. Und damit meine ich nicht einen festen Glauben, denn daran mangelt es bei Dir gewiß nicht." Sie verzog kurz das Gesicht. "Ich lerne das gerade auch wieder. Ist recht schmerzhaft, wenn man seine eigenen Standpunkte überdenken muss, weil man erkennt, dass man mit dem größten Geschenk, das man bekommen kann - dem Leben - unbedacht umgegangen ist."

  • So ganz hatte Thraxas nicht verstanden, was Alanis doziert hatte beziehungsweise, wie sie es konkret meinte. "Ich glaube nicht, daß ich am Boden krieche und in Selbstzweifeln vergehe. Das war für einige Stunden so bei vorletzten Fest der Drachen, aber dann hat mir die Silberne mein Versagen verziehen und mir gezeigt, was ich bewirkt habe, seitdem fliegen mich nur noch selten Zweifel an. Aber trotzdem oder gerade deswegen kann ich sagen, daß mir mein Wohlergehen nicht so wichtig ist. Es gibt auf Dere viel zu viele Menschen und Nichtmenschen, die zu viel auf ihr und zu wenig auf das Wohlergehen der anderen achten."

  • "Das wohl. Aber es kommt immer auf das Gleichgewicht an", erklärte Alanis ziemlich bestimmt. "Mag sein, dass Viele zu wenig auf Andere achten. Das ist falsch. Aber zu sehr auf Andere und zu wenig auf sich zu achten, das ist auch falsch. Dein Wohlergehen spielt eine Rolle." Sie nahm den bestellten Wein von der Schankmaid an und stellte ihn mit mehr Elan auf den Tisch, als es nötig war. "Wenn Du das verleugnest, wirst Du irgendwann das Gefühl dafür verlieren, was Andere benötigen, weil Du das Gefühl für Dich selbst verloren hast."

  • Thraxas lachte. "Vielleicht kommt Eure Ermahnung zu spät, Frau Alanis! Ich kümmere mich jetzt seit fast 20 Götterläufen hauptsächlich um die Belange anderer - als Feldscher, als erster Regimentsfeldscher, als Waibel und später Hauptmann, als Leibwächter und als Kindermädchen. Wenn ich mich bisher nicht verloren habe, dann sehe ich eine geringe Gefahr das in Zukunft zu tun."


    Nach einem kleine Schluck Bier fragte er sanft: "Und Ihr, Frau Alanis? Habt Ihr Euch verloren?"

  • "Ja", nickte Alanis ohne großes Zögern und ohne großes Bedauern. Ihre Wangen hatten sich gerötet, vielleicht wegen der Wärme oder dem Alkohol, vielleicht auch, weil das Thema sie berührte. "Ich finde mich aber gerade wieder. Nach und nach. Das wird ein wenig Zeit brauchen, weil es gar nicht so einfach ist." Sie lächelte Thraxas an. "Und lieber spät als nie, nicht wahr? Das Leben ist immer in Bewegung und ich möchte zumindest versucht haben, Dir das auf Deinen weiteren Weg mitzugeben. Und vielleicht hast Du ja schon etwas von Dir verloren, ohne es zu merken, weil die Lücken immer von den Nöten anderer ausgefüllt worden sind."