Das Haus von Alanis am Oberen Stichweg (5)

  • Der Landsknecht teilte weiterhin ungerührt das Holz. "Ich habe nicht gesagt, daß ich Dich nicht mag und ich habe mir auch noch gar kein Urteil gebildet, ob ich Dich mag oder nicht. Ich bin sicherlich zurückhaltend, und zwar einmal, weil ich Dich nicht kenne und zum anderen, weil die Verbindung eines Menschen mit einem Wald nichts Alltägliches ist und für mich schon feststeht, daß es eine Form der Magie sein dürfte." sagte er und führte dann weiter aus: "Ich lehne Magie nicht mehr rundheraus ab, aber eine über viele Jahre erworbene Skepsis ist nicht von heute auf morgen abzuschütteln."
    Nachdem er einen weiteren Scheit gespalten hatte, blickte er zu Kassandra hinüber und seine dunklen Augen schienen einen Moment lang durch ihre eigenen Augen tief in sie hinein zu blicken. "Und was heißt überhaupt seltsam? Ich bin also seltsam, weil ich Dich in einem Haus, das nicht das meine ist, nicht überschweglich willkommen heiße? Weil ich nicht gleich von mir aus ein langes, lustiges Gespräch beginne? Weil ich mich zurückhalte und euch Frauen nicht stören will oder nur weil ich Kleidung trage, die hier keiner trägt?"
    Dann wandte er sich wieder dem Holz zu und sagte: "Und ich kann mich nicht erinnern, Dich ab- oder geringschätzig behandelt zu haben."

  • "Dann solltest du dir mal selber zuschauen, Thraxas", rät sie ihm. "Und du bist der Einzige hier, der sich um irgendjemandes Kleidung Gedanken macht."
    Einen Moment ist sie versucht, ihm einfach den Rücken zuzukehren und ihre Energie nicht weiter auf dieses offensichtlich nutzlose Unterfangen zu verschwenden. Doch eine Sache beschäftigt sie, seit Alanis ihr von ihm erzählt hat.
    "Wie erträgst du das, Thraxas?", fragt sie ruhig. "Alles magische so abzulehnen? Unsere ganze Welt ist davon durchdrungen. Magie ist in der Luft und in der Erde, in jedem Fluß. Im Meer und im Licht der Sonne." Sie breitet die Arme aus, eine allumfassende Geste, und in ihrem Gesicht zeigt sich die Freude über dieses Wunder. "In jedem Tier, in jeder Pflanze. In jedem von uns. Wie erträgst du es, die Welt zu hassen, in der du lebst?"

  • Thraxas schaut auf und Kassandra erkennt hauptsächlich Verwunderung in seinen Zügen, in seinen Augen ist jedoch ein tiefer Schmerz zu lesen. Dieser Eindruck verschwindet allerdings sofort, nachdem der Landsknecht einmal geblinzelt hat. Mit der Axt in der Hand kommt er zwei schnelle Schritte auf Kassandra zu, um dann jäh innezuhalten. Bedacht legt er die Axt an den Hackklotz, dreht sich wieder zu der Frau um, verschränkt die Arme vor der Brust und sagt fast schon belustigt: "Da schau einer an! Die Frau, die mich eben noch der Oberflächlichkeit geziehen hat, leidet selber ausgesprochen stark unter ihr. Woher willst Du wissen, daß ich alles magische ablehne? Woher willst Du wissen, daß ich diese Welt hasse? Du kennst mich nicht und machst Dir nicht die Mühe mich kennenzulernen, Du klagst mich an und machst mir Vorwürfe, ohne auch nur eine Ahnung zu haben, was mich bewegt und was ich denke. Du bist nicht besser als alle, die Magie rundheraus ablehnen, was ich nicht tue, wenn Du alle ablehnst, die Magie skeptisch betrachten. Wenn Du aufhören möchtest mit Deinen Unterstellungen fortzufahren, dann können wir das Gespräch fortsetzen, ansonsten ist es sicher besser, Du kehrst zu Alanis zurück und läßt mich in Ruhe weiterarbeiten."

  • Thraxas schaut Kassandra ruhig hinterher. Als sie wieder im Haus verschwunden ist sagt er leise: "Glaub das ruhig, wenn es Dich beruhigt!" Dann wendet er sich wieder kopschüttelnd seiner Arbeit zu. Seltsame Freunde hat Alanis da. Gut das ich jetzt da bin. denkt er sich.

  • "Und?", fragte Alanis Kassandra besorgt, als sich die Tür öffnete. Sie hatte durch das kleine Fenster über dem Spülstein die Szene gesehen. Zwar nicht gehört, aber das war auch nicht wirklich nötig gewesen. Die Stirn der Geweihten lag in deutlichen Falten.

  • "Ja", seufzte Alanis leise und es klang recht bedrückt. Wortlos griff sie nach dem Krug mit Essig und gab etwas davon in den Kessel. Dann rührte sie noch einmal den eingekochten Sud um und wuchtete das Gebräu im Kessel auf den Spülstein. "Füllst Du die Einmachtöpfe damit auf?", bat sie Kassandra, dann wandte sie sich ab, um einen zweiten Topf mit Wasser über das Feuer zu hängen. Das tat sie mit großer Ruhe und Bedachtheit, auch wenn ihr Gesichtsausdruck verriet, dass sie nicht unbedingt nur ans Kochen dachte. Schließlich platzte es aus ihr heraus: "Sollte ich ihn rauswerfen?"

  • Kassandra hat sich eine große Kelle gegriffen und begonnen den Sud nacheinander in die Einmachgefäße zu schöpfen, sorgfältig darauf bedacht Verunreinigungen, die die Haltbarkeit beeinträchtigen, zu vermeiden.
    Auf Alanis Frage seufzt sie. Am liebsten hätte sie mit einem schlichten "Ja", geantwortet, doch dieses Entscheidung obliegt nicht ihr. Aber "Nein" zu sagen wäre auch nicht ehrlich.
    "Das mußt du entscheiden, Liebes", sagt sie schließlich.
    "Ich sehe nur nicht, daß dir so jemand gut tut", fügt sie nach einer Weile hinzu. "Gerade wo es dir selber nicht gut geht..."

  • "Hmpf", machte Alanis unzufrieden. "Mit Ashaba ist er auch nicht klargekommen. Ist schon ein ziemlich guter Grund, auf einen Mann zu verzichten, wenn die beiden engsten Freundinnen nicht mit ihm warm werden." Sie verdrehte die Augen. "Ich versteh einfach nicht, wie der Kerl stundenlang über das Licht sprechen kann, aber ein "Hallo, Kassandra. Freut mich, Dich kennenzulernen." nicht hinbekommt, so wie es jeder halbwegs normale Mensch tun sollte."

  • Kassandra schaut nachdenklich zu ihr hinüber und läßt die Kelle einen Moment ruhen.
    "Das heißt mit dir ist er anders?"
    Sie zuckt die Schultern.
    "Ich würde dir sofort raten ihn rauszuwerfen, wen ich das ersetzen könnte, was er für dich ist... Aber ich kann nicht den ganzen Tag bei dir sein. Nicht wenn du hier wohnst."
    Sie rührt noch einmal im Sud und kippt den restlichen Inhalt des Kessels in den letzten Einmachtopf.
    "Und übers Licht reden kann ich auch nicht besonders gut..."

  • "Bei mir ist er...hm." Die geplante Verteidigungsrede kam durch den Abgleich mit der Realität ins Stocken. Alanis schnitt eine Grimasse, legte dann einige unschuldige Pfefferkörner in den großen Mörser und ließ ihren Frust daran aus. "Er weiß alles besser und nimmt mich oft nicht ernst. Er ist überfürsorglich und glaubt, dass ich auf ihn angewiesen bin, um mich zu schützen. Er.. ." Sie räusperte sich. "Er hat das Haus in Stand gesetzt, er kocht für mich und verarztet mich. Er kann ziemlich nett und charmant sein, wenn er sich nicht gerade so verhält als sei dies sein Revier.... ." Dabei tippte sie auf ihre eigene Schulter

  • Kassandra läßt die Kelle sinken und hört Alanis sehr ernst zu.
    "Dann ist dein Problem größer als ich dachte", sagt sie am Ende. "Nichts anderes tut er ja jetzt auch. Er verbeißt jeden, der dich ihm streitig machen könnte. Er will dich ganz für sich alleine. Daß das nicht gesund ist weißt du selber... Wenn du Hilfe brauchst um das zu beenden, sag mir bescheid."

  • Alanis wiegte den Kopf hin und her.


    "Naja, für sich selbst wollen... . Glaube ich nicht. Zumindest nicht so, wie man das landläufig meinen würde. Ich denke ich bin sowas wie ein Projekt für ihn. Im Namen des Lichts wieder auf die Beine bringen, tätscheln, in die Welt entlassen. Sowas." Ein Seufzen folgte, dann spähte Alanis in den Kochtopf, um zu sehen, ob das Wasser schon kochte. Tat es nicht. Sie warf mit Elan ein wenig Salz hinein und griff zu den letzten noch zu schälenden Möhren. Dann, als sie das Messer hob, stutzte sie. "Ich schicke doch keine andere Frau vor, um meine Verhältnisse zu klären", sagte sie dann, ein wenig entrüstet, aber mit einem unverkennbaren Zucken in den Mundwinkeln.

  • Kassandra hebt die Schultern und grinst.
    "Warum nicht?..."
    Dann stellt sie fest, daß etwas an Alanis Formulierung seltsam ist.
    "Das heißt du gehst nicht mit ihm ins Bett?", fragt sie. "Das macht die Geschichte noch seltsamer..."
    Sie runzelt die Stirn.
    "Vielleicht solltest du`s. Vielleicht regt er sich dann ab. Und kommt von dieser Lichtgeschichte runter..." Ihr Grinsen wird breiter.

  • Alanis verschluckte sich an einem Bissen Karotte, den sie sich zur Beruhigung ihrer Nerven einverleibt hatte. Sie hustete und lief rot an. Ein wenig hilflos wedelte sie mit der Hand, bis sie sich wieder erholt hatte.


    "Ich...eh....also, dazu äußere ich mich nicht", murmelte sie und starrte auf ihr Schneidebrett hinunter. "Ausserdem - so gut könnte ich niemals sein, dass er das vergessen würde." Sie räusperte sich. "Soll er ja auch nicht. Er das Licht, ich die Elemente. Wobei die Elemente deutlich weniger.... ." Ihre Stimme senkte sich zu einem Flüstern herab. "....snobistisch sind."

  • Kassandra klopft ihr auf den Rücken bis sich der Husten gelegt hat.
    "Wenn du ihn so lange hast warten lassen brauchst du nicht gut zu sein", stellt sie pragmatisch fest. "Daß du da bist reicht schon. Vielleicht braucht das Licht ganz dringend etwas elementare... Verunreinigung..."

  • "Können wir mal aufhören, über...äh...?" Alanis hackte einer Möhre ziemlich gnadenlos die Spitze ab. "Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich will. Das ist aber, nüchtern betrachtet, viel angenehmer als überhaupt keine Wahl zu haben."


    Sie zuckte mit den Schultern.


    "Danke übrigens für das Überwachungsangebot. Aber ich könnte niemals in Amonlonde wohnen. Fra und Baul und Kobolde und Drachen....ich glaube das würde mich auf Dauer zu einer sehr nervösen Frau machen."

  • "Man gewöhnt sich dran", akzeptiert Kassandra den Themawechsel.
    "Aber ich kann verstehen, daß das nicht für jeden was ist. Obwohl Amonlonde eigentlich nicht soooo anders ist als Renascan. Bis auf Fra und Baul. Und die Schrate. Und die Schaben. Na gut", gibt sie zu, "Amonlonde ist schon anders als Renascan. Hab ich dir erzählt, daß sie mich zum Richter gewählt haben?"

  • Alanis blickte auf und lächelte.


    "Glückwunsch. Das machst Du sicher gut. Und denk immer daran, nicht Wulfbains Vorbild zu folgen und einfach zu verschwinden."


    Sie legte kurz die Stirn in Falten.


    "Die Zeit rast. Die letzte Richterwahl scheint mir gar nicht so lange her zu sein."