Das Haus von Alanis am Oberen Stichweg (5)

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    Im Südosten der Unterstadt führt, schon etwas oberhalb in den Hügeln, der Obere Stichweg südostwärts in den Wald. Eine ruhige Gegend. Hier fand sich einstmals ein abgestecktes Grundstück: An der dem Weg (eigentlich ein besserer Trampelpfad) zugewandten Seite befindet sich Wiese, ein paar Schritt weiter Unterholz, um dann schließlich in Wald überzugehen.


    Nunmehr steht hier ein kleines, aber feines feines Häuschen. Das Haus liegt ein wenig abseits der Straße, umgeben von einer wilden Wiese vor dem Haus und einem Garten mit jungen Obstbäumen und Beeten dahinter. Ein schmaler Pfad aus festgetretener Erde, gesäumt von großen Steinen, führt über zwei Treppenstufen zur Haustür.


    Geht man durch die Haustür, gelangt man direkt in eine heimelige Küche mit niedriger Decke. Ein großer Herd und ein Tisch mit vier Stühlen laden zum Verweilen ein. Nach hinten aus dem Haus führt hier eine zweiteilige Tür, die in den Garten hinein und zu Brunnen und Abtritt führt. Eine weitere Tür führt in das Schlafzimmer, das neben der Küche liegt, eine Falltür in den Keller. Eine Treppe führt in das erste Geschoss.


    Dort gibt es, in der gleichen Größe der Küche, den Arbeitsraum der an Heilkunde interessierten Priesterin. Auch ihr Elementealtar befindet sich dort, in einer großen Schale auf einem Podest. Der zweite Raum, der Größe des Schlafzimmers entsprechend, beherbergt ein Gästebett und viele Erinnerungen von ihren zahlreichen Reisen.


    (Für nähere Beschreibungen bitte PN an die Hausbesitzerin.)


    Gesamter Stadtplan von Renascân

    Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.
    Homunkulus (~835 - 902)

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  • "Bauern in der Nähe", murmelte Alanis und kaute grüblerisch kurz auf ihrer Unterlippe herum. Dann erhellte sich ihre Miene. "Es gibt es ein älteres Ehepaar, das einen Hof in der Nähe hat. Sie bauen Rüben an und hatten in letzter Zeit etwas Pech bei der Wahl ihrer Hilfsarbeiter. Sie sind gute Menschen und haben eine recht große Scheune mit eigenen Tieren. Ich könnte sie fragen - wenn Du nichts gegen Rübenernten hast?"


    Sie warf Thraxas einen abschätzenden Blick zu, so als wolle sie aus seinem Anblick schließen, ob er sich für Feldarbeit eignete - oder nicht.

  • Thraxas lächeln wurde kurz schmal, um dann umso breiter zu strahlen. Er lachte: "Disziplin durch harte, körperliche Arbeit. Wird das eine der ersten Lektionen sein, Meisterin?" Noch ehe sie antworten konnte, winkte er ab und setzte schnell hinzu: "Harte Arbeit macht mir nichts und wenn dabei ein guter Stall für meine Tiere herausspringt dann sei es so."


    Schnell ging er zu der offenen Kiste im Gästezimmer, legte seinen Beutel und einige andere Dinge hinein. Dann drehte er sich um und einige Fragen sprudelten aus ihm heraus: "Brauche ich da draußen in der Regel mehr als meinen Dolch? Ist es mir überhaupt erlaubt ein Schwert zu tragen? Werde ich die Kiste abschließen müssen oder wird der Frieden eures Hauses von allen respektiert?"

  • "Öhm, ich -." Alanis blinzelte kurz, um sich wieder zu fassen. Das mit der Rolle als Meisterin war wirklich etwas plötzlich gekommen und nun stand sie da und fühle sich vollkommen unfähig, auch nur einen weisen Satz von sich zu geben - oder auch nur einen, der bei Thraxas keine seltsame Reaktion auslöste. Wie hatte das ihr alter Meister El Gar nur gemacht? Richtig - er hatte sie reden und selbst auf ihre Erkenntnisse kommen lassen. Vielleicht war das das ganze Geheimnis? "Wenn Du das als Lektion betrachten willst, dann tu das", antwortete sie ergeben und fügte dann noch trocken hinzu: "Ich glaube übrigens nicht, dass es Dir an Disziplin fehlt. Aber vielleicht an Kenntnisse über Zuckerrüben. Ich habe nämlich keine."


    Sie hob die Schultern und lehnte sich an den Türrahmen, die Arme verschränkend. Seine nächsten Fragen gaben ihr erneut zu denken.


    "Ein Dolch sollte vollkommen ausreichen. Renascân ist gut bewacht und war in den letzten Jahren nicht in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt. Das Schwert - hm. Es gibt hier nicht viele Menschen außerhalb der Garde, die überhaupt ein Schwert besitzen. Ich werde sehen, ob ich bei meinem Besuch in der Stadt meine Nachbarin treffe - sie ist Sergeant in der Garde und wird mir die Frage sicherlich beantworten können." Ein kurzes Stocken. "Was den Frieden meines Hauses angeht - bisher ist hier noch nie jemand eingedrungen, der mir Böses wollte. Es ist aber Deine Entscheidung. Ein Schloss müsste irgendwo in einer der Kisten liegen, falls Du eins benutzen willst."

  • Thraxas lächelte immernoch breit. "Verzeiht mir, Frau Alanis, ich wollte euch mit meinen Fragen nicht überfallen. Und über Rüben weiß ich, daß es Menschen gibt, die daraus einen schrecklichen Fusel brennen, wie sie geerntet werden, werde ich lernen müssen."


    Dann legte er sein Schwert ab und in die Kiste hinein, klappte den Deckel zu und drehte sich wieder zu ihr um. An der Kiste konnte Alanis ein fremdes Vorhängeschloss erkennen.


    "Gut, wollen wir dann sofort zu den Bauern aufbrechen oder müssen wir vorher noch etwas anderes erledigen?"

  • "Mit der Hausbesichtigung sind wir so gut wie fertig." Alanis machte eine Geste in Richtung des offenen Fensters des Gästezimmers, das zum Garten und wieder in den Wald hinaus wies. "Falls Du es noch nicht gesehen hast, zwischen den Grundstücken gibt es einen Brunnen und weiter hinter im Wald den Abtritt. Und oh - lass am besten kein Essen in Bodennähe herumliegen. Der Hund meiner Nachbarin ist immer hungrig und sehr ideenreich, allerdings bis auf diese Tatsache harmlos. Du erkennst ihn daran, dass er mittelgroß, mittelbraun und ohne erkennbare Rasse ist."


    Ihre Mundwinkel kräuselten sich kurz, dann trat sie in ihr Arbeitszimmer zurück und ging zum Bücherregal. Dort pflückte sie einen schon sehr zerlesenen Lederband mit der Aufschrift "Ars Culinaria" aus der Reihe und blätterte kurz darin herum, dann blickte sie wieder zu Thraxas auf.


    "Und dann noch eine wichtige Frage: hast Du Vorschläge, was wir zum Fasan essen?"

  • Thraxas lachte. "Pilze, so denn hier auch gerade Pilzzeit ist und feines Wurzelgemüse. Wollt ihr eine Suppe vorher, dann könnte ich da etwas aus Kürbis zubereiten.


    Aber sicherlich ist entscheidender, was ihr im Haus habt oder was wir noch bekommen können."


    Dann schickte sich der Landsknecht an die Treppe herunter zu gehen und meinte: "Aber das könnten wir ja vielleicht auch auf dem Weg besprechen."

  • Alanis nickte, zwar verwundert über Thraxas Drängen, sich auf den Weg zu machen, aber durchaus willens, sich um etwas zu Essen zu kümmern. Wahrscheinlich sorgte er sich um seine Tiere und wollte sie schnellstmöglich gut versorgt wissen. Oder er hatte eben solchen Hunger wie sie. Mit einem abschließenden Nicken, so als wolle sie die Entscheidung vor sich selbst bestätigen, strebte der Treppe entgegen und sagte über die Schulter.


    "Kürbissuppe? Dafür habe ich Möhren, Zwiebeln und Kartoffeln im Haus - nur keinen Kürbis, den müssten wir auf dem Markt kaufen. Pilze sind eine gute Idee. Vielleicht Maronen oder Äpfel? Hm.... ."


    Mit der traumwandlerischen Leichtigkeit einer Person, die die vertraute Stiege schon hunderte Male gegangen war, eilte sie die Stufen hinunter und direkt geradeaus durch die Tür in ihr bislang verschlossen gebliebenes Schlafzimmer, um dort einen schlichten, grauen Mantel umzulegen. Was im oberen Geschoss des Geruch nach Weihrauch gewesen war, war im unteren Geschoss bei geöffneter Schlafzimmertür eine flüchtige Ahnung von Seife, frisch gewaschener Wäsche und Parfum.

  • Thraxas folgte Alanis und blieb dann etwas seitlich der Zimmertür stehen. "Maronen und Äpfel ergeben eine gute Füllung." meinte er. Überlegte kurz und ging dann schoneinmal nach draußen in den Garten und betrachtete die Kräuter, die Alanis angepflanzt hatte.

  • Die Beete waren noch gut gefüllt mit Kräutern und Pflanzen, denn der ungewöhnlich warme Herbst in Renascân hatte das Grün kräftig treiben lassen. In einer Ecke des Nutzgartens konnten sich Feldsalat, einige späte Möhren und unter einem kleinen hölzernen Dach sogar Tomatenpflanzen finden lassen, daneben Kräuter wie Bohnenkraut, Thymian, Rosmarin, Salbei und üppig wuchternde Minze. Einige Schritt weiter waren es dann die klassischen Heilpflanzen, an deren Seiten man deutliche Grabspuren sehen konnte. Der Beinwell breitete sich in der renascâner Erde gut aus und auch Baldrian, Lavendel und die abgeernten Reste von Kamillenpflanzen gab es zu sehen. Der Wiesenrand in der Nähe der bestellten Beete hatte Vogelbeeren und Hagebutten zu bieten, die kräftig leuchteten, während die Brombeeren das Jahr bereits deutlich hinter sich hatten.


    Die Haustür klappte zu. Alanis hatte das Haus verlassen, einen Korb am Arm.


    "Der Garten wird immer vom Waisenhaus betreut, wenn ich auf Reisen bin. Sonst sähe er nicht so ordentlich aus", erklärte sie aufgeräumt und blickte dann skeptisch zum Himmel auf, um abzuschätzen, ob es noch regnen würde. "Wo wohnst Du eigentlich?"

  • Thraxas drehte sich zu Alanis um. "In..." unserem Haus im Kosch, wollte der Landsknecht spontan antworten, aber dieses Haus gab es ja nicht mehr. Er hatte es vernichtet. Und auch ein uns gab es nicht mehr, sie hatte sich auf radikale Weise anders entschieden. Kurz huschte ein Schatten über seine Züge, dann aber lächelte er Alanis wieder an und sagte fast heiter: "Ich wohne dort, wo ich gebraucht werde oder auch nur dort, wo meine Tagesreise endet."

  • Alanis hatte Thraxas Regung sehr genau beobachtet, aber sie verzichtete darauf, weiter den Finger in irgendeine Wunde zu legen, deren Tiefe sie nicht erahnen konnte. Für jedes Gespräch gab es seine Zeit oder eine Einigung, darüber zu schweigen. Also sagte sie lediglich:


    "Das habe ich früher genauso gehalten, so wie auch meine Lehrmeister, die mich ausgebildet haben."


    Sie ging vorsichtig die von herbstlicher Feuchtigkeit rutschige Wiese hinunter auf den Weg und erkundigte sich dann:


    "Hast Du die Tiere in der Herberge am Geisenstieg oder in der Oberstadt im 'Zaunkönig' untergestellt?"

  • Mit fliegenden Ohren kam ein etwa kniehoher, graubrauner Hund hinter den beiden hergehetzt. Mit einigem Elan und aufgeregt kläffend sprang er Alanis an und hinterließ diesmal - vermutlich das allererste Mal - keine dreckigen Pfotenabdrücke auf der Kleidung der Priesterin. Wild schwanzwedelnd wuselte er um sie herum und verhedderte sich ein ums andere Mal in Röcken und Mantel. Schließlich warf er sich auf den Rücken und streckte ihr den Bauch entgegen, während sein Schwanz noch auf den Boden klopfte.

  • Alanis deutete nacheinander in ein paar Himmelrichtungen.


    "Der Hof ist im Süden auf der anderen Seite der Palisade. Die Herberge ist ... ." Sie runzelte kurz die Stirn. Orientierung war nie ihr Steckenpferd gewesen. "Im Norden. Und der Markt im Nordosten. Ich denke wir gehen besser zuerst auf den Markt. Die Chancen, da Frau Nieselitz - also die Bauersfrau - zu treffen, sind am Markttage ziemlich gut. Und bei den beiden hat sie definitiv mehr zu sagen als er. Er sagt meistens nur 'Jau' und kaut an seiner Pfeife. Wenn sie einverstanden ist, holen wir die Tiere ab und bringen sie zum Hof."


    Als sie das Bellen hörte, verdrehte sie in ihr Schicksal ergeben die Augen und versuchte dann , Moclin davon abzuhalten, sie zu Fall bringen, was sich als recht schwierig erwies. Schließlich bekam der Hund dann die ersehnten Streicheleinheiten. "Schleimer", murmelte sie spöttisch, aber nicht ohne Zuneigung.

  • "Oh, gut!" antwortete Thraxas. "Wenn die Frau auf dem Markt ist, ist dies sicher der beste Weg."


    Als er das Bellen vernahm wirbelte er herum und spannte sich an. Als der Hund sich dann aber friedlich verhielt entspannte er sich, hielt sich aber zurück. "Das Tier scheint euch sehr zu mögen. Füttert ihr ihn hin und wieder?"

  • Alanis hörte auf, Moclin zu streicheln und richtete sich auf. Zuviel Liebe tat niemandem gut, vor allem diebischen Gardemaskottchen.


    "Er mag mich - klarer Fall von schlechtem Geschmack." Sie lächelte dieses Mal ehrlich und ihre Grübchen tauchten für einen Moment auf. "Ich füttere ihn ziemlich selten. Meistens füttert er sich selbst, wenn ich die Haustür auflasse", erklärte sie schicksalsergeben und ging dann weiter den Weg entlang. Sie hatten zwar nicht wirklich Zeitdruck, aber die grauen Wolken am Himmel waren möglicherweise die Vorboten schlechten Wetters. "Der Hund frisst alles. Sogar hin und wieder meine Kleidung."


    Vorsichtig spähte sie zu Moclin zurück, der noch immer verdattert und mit tragischem Blick auf der Straße lag. Schließlich begriff der Hund, was Sache war, schnaufte beleidigt und bequemte sich, einige Meter hinter Alanis in Trab zu fallen, den Henkelkorb an Alanis Arm immer im Blick.


    Die Priesterin entschied sich derweil dafür, ihre Gedanken ein wenig zu ordnen, indem sie Thraxas ansah und recht direkt fragte:


    "Also, Thraxas. Was genau stellst Du Dir vor, dass ich tue? Ich gebe zu, ich war noch niemals der Meister von irgend jemandem. Und vor allem hatte ich mir nicht vorgestellt, dass mein erster Schüler mir bereits soviel voraus hat."

  • Thraxas lächelte Alanis an, antwortete aber nicht direkt auf ihre Frage, sondern sagte: "Ich glaube nicht, dass der Hund einen schlechten Geschmack hat."
    Dann schaute er wieder nach vorne und sein Blick wurde nachdenklich.
    Erst nach einigen Augenblicken sprach er weiter.
    "Ich habe keine genaue Vorstellung, eurer Gnaden. Die Silberne selbst hat mir nahegelegt" - er betonte das Wort seltsam - "meine Gabe so ausbilden zu lassen, dass ich sie kontrollieren kann, keinen körperlichen Schaden mehr nehme, wenn ich sie anwende und auchniemand anderen ausversehen schädige."
    Dann wandte er ihr den Blick wieder zu und fragte verwundert: "Aber warum glaubt ihr, ich hätte euch irgendetwas voraus, Meisterin? Ihr habt eure besondere Gabe gemeistert, mir wurde sie gerade erst offenbart."

  • "Als ich bemerkte, dass ich ein Talent besitze, war ich gerade erst zwanzig Jahre alt und wußte weder etwas vom Leben an sich oder was es bedeuten würde, von den Elementen beschenkt zu werden. Ich hatte keine Vorstellung von Verantwortung, von Vertrauen und von der Rolle, die ich spielen würde und ich wollte mir auch keine Vorstellung machen. Ich habe es gehaßt, dass etwas, über das ich niemals selbst entscheiden durfte, auf einmal da war und meine eigenen Pläne zerstörte. Und deswegen habe ich es fortgestoßen und mich nicht damit beschäftigt. Das führte dazu, dass ich - eine Menge Unsinn angestellt habe. "


    Alanis Blick war nach vorne gerichtet, doch er fokussierte weder den Weg vor ihnen noch die Bäume, sondern reichte mehr als ein Jahrzehnt zurück in die Vergangenheit. Sie dachte an ihre Wanderjahre und die erste Begegnung mit El Gar, der ihren Zorn verstanden und sie davon befreit hatte. Dann blinzelte sie, fast wie ertappt, und sah Thraxas wieder an.


    "Du siehst - Du hast mir etwas voraus. Du bist nicht ausgewichen, sondern Du bist hier." Eine kurze Pause. "Auch wenn Du das vielleicht gar nicht willst."

  • Thraxas lächelte verschmitzt. "Ich bin gerne hier. Wenn auch der Anlass ein anderer sein dürfte."
    Sein Lächeln schwand und er setzte hinzu: "Ich verstehe, was ihr meint, aber ihr seid nicht mehr 20 und deshalb habe ich euch heute nichts mehr voraus."
    Jetzt lächelte er wieder. "Hoffentlich habt ihr es durch unser beider Lebenserfahrung einfacher!"