Weinkontor Bramante

  • Der Stein war nicht sonderlich schwer aufzufinden. Genau gegenüber des eingeworfenen Fensters war anhand der tiefroten Weinspritzer an der weißen Wand hinter einem Regal zu erkennen, wo er eingeschlagen hatte. Und direkt unterhalb des Regals lag er dann auch: Faustgroß, unbehauen, roter Buntsandstein, offenbar heimischer Herkunft. Wie man sich einen Renascâner Stein eben so vorstellt.


    Während Leonidas sich weiterhin von einem Heulkrampf zum nächsten wimmerte, war Cicero mit wankenden Schritten in die Schreibstube gegangen und kehrte, ein kleines hölzernes Kästchen in der Hand haltend, von dort in den Flur zurück. Nach wie vor war er sehr...gefasst.


    "Beim besten Willen, das lässt sich nicht sagen, ob etwas fehlt. Dazu müssen wir uns erst einen Überblick verschaffen. Aber wie es aussieht, fehlt Geld."

  • Leonidas' Tonlage und Lautstärke wechselte zwischen Kreischen und verzweifeltem Wimmern


    "Diese BARBAREN...rauben mich aus...MICH, den Wahrer und Mehrer eines lebenswerten Lebens, zerstören unsere Bemühungen, die zarte Pflanze der lorenischen Kultur auf diesem unbestellten Flecken Erde wachsen zu lassen! Wie soll es denn weitergehen, wenn schon die sanften SETZLINGE zertrampelt und zertreten werden? Sollen wir hier in Höhlen leben? Diese IGNORANTEN! Diese VERBRECHER! Diese schändlichen Ausgeburten der Gosse, aus Dreck und Letten gebacken!"

  • Narvi ließ Leonidas wimmern und weinen. Sie sah keinen Sinn darin ihn zu beruhigen zu versuchen. Pro Forma formulierte sie einen beschwichtigenden Satz, dachte aber nicht, dass dies ihn großartig beruhigen konnte.


    Sie werden den Rückschlag sicherlich einstecken und weiterhin gute Geschäfte betreiben, Herr Bramante.


    Narvi sah sich nach Daris um, der den Stein in Händen hielt und nickte Cicero zu.


    Gut, das deutet auf Aufrührer hin, die speziell gegen Lorenien etwas haben und nebenher noch den Besitzer finanziell schwächen wollten. Dies ist aber nur eine vorläufige Annahme.


    Solltet Ihr noch etwas vermissen, so meldet es der Garde bitte umgehend.


    Eine leise Vermutung drängte sich Narvi auf und sie wandte sich interessiert und mitfühlend an Bramante.


    Diesen Weinkontor habt Ihr mit viel Geschick und Können aufgebaut und man weiß sicherlich Euer lorenisches Kulturgut zu schätzen, das ihr durch den Wein in Renascân Einzug halten lasst. Sagt, ist auch euer Diener lorenischer Herkunft, wie ihr?!


    Innerlich etwas gespannt wartet sie auf die Antwort.

  • Der Weinhändler hielt inne, während er sein Tüchlein baumelnd zwischen Daumen und Zeigfinger hielt (die drei restlichen Finger betont abspreizend), und schaute Narvi mit reichlich verständnislosem Gesichtsausdruck an


    "Ich verstehe eure Frage nicht. Natürlich ist Cicero Lorenier, er kommt wie ich aus Rokono, der kulturellen Perle Magoniens. Wie soll man denn sonst hier den Aufgaben gerecht werden, wenn ich nicht das beste Personal nähme, das ich bekommen kann. Und das kann nur jenes sein, welche in unserem Stammhause ausgebildet wurde!"


    Er wedelte ein wenig mit dem Tüchlein herum


    "Und was heißt hier gute Geschäft. Natürlich ist unser Haus weithin bekannt, EXZELLENTE Geschäfte zu tätigen! Nur GUTE Geschäfte, das kann doch mittlerweile jeder dahergelaufene Gerber, Grobschmied oder Würfelschnitzer! Zumal hier, jeden Schund kaufen die Leute hier, anstatt sich auf Qualität zu besinnen! Qualität, versteht ihr? Qualität ist Fortschritt! Qualität ist Kunst!


    Was hier geschehen ist, ist nicht nur ein furchtbarer Schlag gegen meinen Wohlstand, es ist ein Schlag gegen meine Mission!!! Wer sonst könnte besser den warmen Hauch von lorenischem Savoir Vivre, von Ars Vivendi verbreiten, wenn nicht das Hause Bramante? Ihr versteht gar nicht die Tragweite, die dieser Anschlag hat! Für ganz Renascân, sage ich euch! Für ganz Renascân ist dies ein grauenvoller Tag, ein Rückschritt in dunkelste Zeiten! Ihr müsst diese Halunken finden und sie öffentlich strafen!!!"

  • "Oha, Anteilnahme gibt ihm nur wieder Fahrt...und hilft ihm nicht sich zu beruhigen" denkt sie sich und nickt zu seinen Ausführungen betont ruhig, um sich selbst ruhig zu halten.


    "Dann kriegt er eben keine weiteren Anregungen zum Überreagieren" und so antwortet sie nur kurz auf sein Schlusswort.


    Das werden wir.


    Sie wendet sich an die Gardisten.


    Nun, können wir aufbrechen? Darius zum Wachgebäude, wir 3 zur Patrouille und Sidonio sorgt sich um die Gesundheit der Opfer?!


    Leise fügt sie hinzu.


    Je länger wir die Patrouille vernachlässigen, desto eher kann etwas draußen geschehen, was wir hätten verhindern sollen.

  • Als Dorian die Klagen Leonidas hört flammt Wut in ihm auf. "Nur weil dieser gute Mann aus der falschen Gegend stammt wird er Opfer brutaler Schläger. Ich dachte diese Zeiten wären vorbei... Was passiert als nächstes?", füstert er leise.


    Von Narvis Anweisungen aus seinen Gedanken gerissen schreckt er hoch: "Ja, die Patroullie muss fortgesetzt werden. Aber wir können den Laden momentan nicht mitten in der Nacht unbeaufsichtigt lassen" Er deutet kurz auf das eingeschlagene Schaufenster und die vielen Regale mit Weinflaschen, die noch nicht zerstört sind.


    "Ich würde vorschlagen, dass Darius und Sidonio die beiden Herrschaften zum Wachhaus begleiten um sie zu versorgen und ihre Aussage aufzunehmen. Narvi, Du und Rolf setzen die Patroullie fort und ich bleibe hier und halte Wache. Der Korporal hat gesagt, er will die nächste freie Patroullie hier her schicken. Wenn sie kommt werde ich wieder zu euch stoßen. In Ordnung?"

  • Leonidas wedelte in Richtung Dorian


    "Vorzügliche Idee, vorzügliche Idee! Wer weiß, ob diese Unholde nicht wiederkehren, sobald ihr euch auch nur einen Schritt entfernt habt! Vermutlich trachten sie uns nach dem Leben! Dieses Gesindel! Wir werden natürlich umgehend mit euch kommen! Cicero! Bereite alles vor!"

  • Darius schaute nur noch hin und her... von dem Geheule von Bramante verwirrt.


    Mir geht das alles zu schnell hier..., dachte er sich.
    Und der Cicero ist mir zu ruhig...


    "Nun gut... bevor wir hier aufbrechen muss ich noch kurz für... die Berichterstattung mir die Wunden noch einmal näher ansehen."


    Er ging zu den beiden 'Opfern' und schaute, ob eine der Wunden irgendetwas aufwies... wie zum beispiel weniger Heftigkeit bei Cicero... aber ganz unauffällig... Darius brauchte mher Zeit zum Nachdenken hier... hier stimmte was nicht...

  • Sidonio stand mit verschränkten Armen und an der Wand lehnend da, während Darius sich an den Verbänden zu schaffen machte, die der Heiler vor wenigen Augenblicken angelegt hatte.


    "Aha."


    Er zögerte einen Augenblick


    "Macht euch keine Sorgen, werte Herrschaften. Gardist Darius hat vor seiner Karriere bei uns eine Medicus-Ausbildung absolviert und mit Bravour abgeschlossen. Einer unserer besten Leute auf diesem Gebiet. Das ist sozusagen eine Kontrolle, ob ich auch nichts übersehen habe. Er überprüft nur nochmal, ob ihr uns ohne Gefahren zum Garnisonsgebäude begleiten könnt. Wisst ihr, wenn man solche eine Wunde falsch einschätzt und dann die Verletzten zu weit laufen, kann es schon vorkommen, dass durch innere Blutung der Tod quasi plötzlich eintritt! Wie aus heiterem Himmel. Man denkt, es geht schon wieder, geht ein paar Schritte, und PAMMMMMM...."


    Er schlägt sich mit der Außenseite seiner Hand in die Innenseite seiner anderen, was ein hässlich klatschendes Geräusch ergibt


    "...tja, so schnell kann's gehen. Nicht wahr, Herr Medicus?"


    Während Sidonio mit einem leichten Grinsen verharrte, sah Darius das nochmals bestätigt, was der Heiler schon erläutert hatte: Die Wunde von Cicero war wirklich schlimmer, die Schwellung um einiges heftiger als bei seinem Herrn. Dennoch schien er alles besser verkraftet zu haben, in jeder Hinsicht.

  • Darius erkannte, dass Sidonio ihn deckte, bzw. so die Anwesenden beruhigte. Langsam fing an Darius Sidonio zu mögen. Er stieg ohne mit der Wimper zu zucken darauf ein.


    "Ich hätte nichts gelernt, wenn ich nicht einen solch vorzüglichen Meister der medizinischen Kunst als Lehrer gehabt hätte, nicht wahr, werter Sidonio? Und selbst ich kann an einer solch meisterlichen Behandlung der Wunden dieser armen Menschen etwas lernen."


    Er versuchte fachmännisch die Wunden zu betrachten. Gut. Cicero kann ausgeschlossen werden. Warum arbeitet ein solch kompetenter junger robuster Mann unter solch einem Idioten...


    "Wie ich sehe... ausgezeichnet..."


    Er schob die Verbände wieder so hin wie er sie vorgefunden hatte.


    "Cicero. Ihr sagtet, dass die Männer sich nach dem Wein erkundigten. Könntet ihr mir beschreiben wie die drei aussahen, damit ein Zeichner Skizzwn machen könnte... Ist etwas an dem Wein, der zerstört ist etwas besonderes??"

  • Cicero blickte zu seinem Herrn herüber, der ihn (immer noch wimmernd) mit heftigem Wedeln seines Tüchleins aufforderte, zu antworten


    "Schwer zu sagen. Drei Männer, recht einfach gekleidet. Zerschlissen, aber nicht zerlumpt. Einer etwas dünner, meine Größe ungefähr, längere zusammengebundene Haare. Der zweite etwas kleiner, dunkle kürzere Haare, etwas breiter gebaut. Und der dritte...hmmm...hellere Haare auf jeden Fall. Es ging alles ziemlich schnell. Außerdem war ich beschäftigt, den Boden aufzuwischen, dort, wo der Stein eingeschlagen war. Aber vielleicht kann der werte Herr Bramante mehr sagen..."

  • "Nein, nein, mein guter Cicero hat alles gesagt, was ich auch gesehen habe. Mehr kann ich nicht sagen, mehr kann ich nicht sagen. Dieses Lumpenpack. Diese Hunde. Diese brutalen Räuber und Halsabschneider."


    Er tupfte sich wieder durchs Gesicht


    "Ob an dem Wein etwas besonderes ist? Aber selbstverständlich ist daran etwas besonderes! Alle meine Weine sind etwas besonderes! Erlesen ist noch gar keine Ausdruck dafür! Allerhöchste Qualität, dafür bürgt unser Haus schließlich mit seinem guten Namen! Der gute Cicero hat es ja gesagt, welches Regal sie zuerst umgestoßen haben. Wein aus Lorenisch-Vinage zählt zu den besten überhaupt! Die Weinberge am oberen Balladir sind fast allesamt von einer solchen Lage und Bodenbeschaffenheit, dass sie ihresgleichen suchen! Perlen der Winzerskunst!"

  • Cicero schaute sich, aufgefordert durch eine Handbewegung von Bramante, im Verkaufsraum um und gab dann Auskunft


    "Lässt sich schwer abschätzen. Hauptsächlich lorenischen, wie es aussieht. Aber das ist kein Kunststück, unser Schwerpunkt liegt natürlich auf Weinen unserer Heimat."

  • Darius Hirn arbeitete auf Hochtouren... Könnte da ein Hinweis sein??


    "Am Balladir also... hmm.... Welche Länder sind da nochmal... ach ja... Ist das Weingebiet in Beneventum oder in Lanta?"


    Jetzt würde sich alles entscheiden...

  • Cicero schaut immer noch mehr als gefasst drein. Emotionensausbrüche waren bei ihm wohl nur auf Zuruf durch seinen Herrn zu erwarten, der ihm wieder das Wort erteilte. Ob er zum Lachen in den Keller ging? Oder in den Wald? Aber spitze Ohren hatte er ja nicht...


    "Lanta? Ihr meint sicher Zanta. Nein, das ist schon zu weit westlich. Eigentlich zählen nur die Weingebiete der Präfektur Beneventum zum Oberen Balladir. Auf lorenischer Seite jedenfalls. Also Lorenisch-Vinagy und der Norden von Avanty-Monquel. Hervorragende Weine, mein Herr sagte es ja schon. Warum fragt ihr?"

    Thankmar Rhytanian
    Botschafter Magoniens zu Montralur

    Dieser Beitrag wurde bereits 2 Mal editiert, zuletzt von Magonier ()

  • Für Darius hatten sich seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Das wird heikel... Bei Bramante machte er sich keine Gedanken, der rafft bestimmt nichts, bei Cicero.


    "Gut. Dann weiß ich alles was ich wissen müsste. Ich werde hier für die nächsten Tage bei der Garde anfragen, ob sie eins oder zwei Leute abstellen könnten um euren kostbaren Wein zu schützen. Ansonsten würde ich die Sache hier diskret behandeln, bis wir näheres Wissen."


    Er schaute Cicero vielsagend an und hoffte, dass er ihn versteht. Zu Bramante sagte er aber:
    "In Ordnung, Herr Bramante?"

  • "Ja, ja, natürlich. Vorzügliche Idee. Ein derart wichtiges Kleinod wie dieser Kontor bedarf natürlich einer Bewachung. Man sieht ja, wie gefährdet man ist! Diese Unholde wissen gar nicht, was sie angerichtet haben! Ich werde auch bei der Obrigkeit vorstellig werden, um dies nochmals deutlich zu machen. Eine vorzügliche Idee. Ich hatte dies ja schon öfter im Blick, erfreulich, dass ihr euch meiner Weitsicht mit eurem Vorschlag anschließend möchtet. Löblich, löblich."


    Nachdem er Cicero einige Anweisungen gegeben hatte, was noch einzusammeln und mitzunehmen sei, stand dieser bald mit einem prall gefüllten Tornister bereit, während Bramante - so er nicht sich nicht gerade wieder einem Wimmer-Anfall ergab - unentwegt von der Wichtigkeit des Kontors und vor allem seiner selbst blubberte


    "Sehr gut, das wäre das nötigste. So, wir wären bereit, uns in eurem Schutze zum Garnisonsgebäude zu begeben."