Die Anlegestelle von Renascân (2)

  • "'Chatziken, nixe alles für dich!"


    ertönte scherzend eine Stimme in einem Dialekt, der in den Ohren schmerzte.


    "Hier, hab noch ein paar Zuckchstückle übrig. Die da mit Apfelis, kandiert, die dort mit Chosienen und die mit Backchpflaumen. Oder Chkandis am Stockle?"


    Eine kleine, dickliche Frau mit einem Bauchladen feilschte mit einem der Fischer um ein süß duftendes Gebäckteilchen, das scheinbar einmal komplett durch Karamel gezogen worden war. In einem Becher steckten einige Stöckchen, an deren Spitze Zucker karamelisiert worden war. Ihr pausbäckiges Gesicht war aufgeregt gerötet und ihr Strahlen freundlich.

  • Tear schnupperte... und das geschah noch während sie vor sich hin "träumte". Ein wenig lies sie sich nach hinten fallen, den Blick langsam wieder geklärt, auch wenn es scheinbar so aussieht, als wollte sie nicht.


    Dann hat sie den Bauchladen mit dazugehöriger Frau ausgemacht und ein wölfisches Lächeln stiehlt sich über ihr Gesicht. Schneller als man gedacht hätte, war sie auf den Beinen und folgte dem unvorteilhaften Dialekt.


    Schließlich als sie hinter der Frau war hebt sie spielerisch langsam ihre Hand und tippt der Händlerin entschieden auf die Schulter.

  • "Hua!!" machte die Frau und hopste ein wenig gummiballartig einen Schritt zur Seite. Das wischte aber das Strahlen nicht aus ihrem Gesicht.


    "Na, die Dame? Auch was lekches? Hab noch die Zuckchstückle, Chkanis am Stock, Apfelstückchle und mit Chosienen. Was dachfs denn sein, die Dame?"


    Der Fischer zog inzwischen mit einem sinnlos süßen Gebäckteilchen in der Hand seiner Wege.

  • Ein leises Geräusch irgendwo zwischen einem freudigen Jaulen und Knurren, verlässt Tears Lippen, dann sieht sie auf den Bauchladen. Sie hält sich nicht mit antworten auf, noch gibt sie sich Mühe den Dialekt der Händlerin zu verstehen. Sie deutet stattdessen mit dem Zeigefinger auf ein der Süssigkeiten, dass der Zuckerstange des Jungen eben am ähnlichsten erscheint und lächelt die Frau dann auffordernd an.

  • Strahlend zieht die Frau die Zuckerstange aus dem Bündel.


    "Macht dann ein Chkupfer, die Dame. Die sind chanz frisch. Chrad heute mochgen gedrecht."


    Über Tears seltsame Ausdrucksweise scheint sie sich nicht wirklich zu wundern. Scheinbar sieht sie jeden Tag am Hafen noch ganz andere Sachen

  • Rudimentär wäre dann wohl eines dieser Kupferstücke gemeint, die Tear zu Hauf in ihrem Inventar hatte, für die sie aber nur in den seltensten Momenten wirklich Gebrauch findet. Sie kramt ein wenig in ihrer Gürteltasche umher und findet dann in ihrer offenen Hand zwischen ein paar kleineren Kristallen, Muscheln und Erinnerungstücken das Gesuchte und gibt sie der Händlerin im Austausch für die Zuckerstange.


    "Hannon le," diesmal ist ihre Stimme die gewohnt tiefe. Das klare elbische steht im Wiederspruch zu den eben gemachten Lauten aber das erwartungsvolle Lächeln in ihrem Gesicht macht den Unterschied fast wieder wett.

  • "Lass es dir schchmecken, Lütte." sagt die Frau und lässt das Kupferstück in ein Kistchen fallen.


    Dann scheint sie kurz zu überlegen. Sie nimmt eines der Wachspapiere, die für die Verpackung der süßen Stücke gedacht sind und wickelt zwei Exemplare darin ein.

    "Da, Kind, da hascht noch was. Dech Chrkrieg ist noch nicht lang vochbei. Wirch alle echinnern uns doch dran. Füch uns chgut. Für Leute deines Chrandwerks schlecht. Aber irch füttech lieber noch ein paach Mäulech durch, als dass du wiedech Achbeit bekommst."


    Mit einem warmen, aber ein wenig traurigen Lächeln nickt sie zu den Schwertern und reicht dann Tear das kleine Paket. Dann kommt das Strahlen wieder.


    "Und so vechhungecht wie du aussiechst, läufts auch chlecht. Chlecht für dich, gut für uns."


    Sie präsentiert lachend ihren rundlichen Körper und zwinkert freundlich Tear zu.

  • Mit dem Paket in der Hand sieht Tear an sich hinunter. Wildelben waren schon immer stämmiger als das hohe Volk der Khel'Emiril gewesen, sie war damit zufrieden, ein stärkerer Körper machte einen stärkeren Wächter... und über fehlende Kämpfe in den Fellen konnte sie sich nicht beschweren... aber verhungert? Mit hochgehobener Augenbraue will sie der Händlerin etwas erwidern, als sie sich ihrer ersten geäußerten Aussagen wieder bewußt wird.


    "Krieg...? Schlecht für meinesgleichen? Wieder Arbeit?"


    Beiläufig lässt sie die restlichen Materialen, die ihr zum Tauschen dienen wieder in ihrer wildledernen Gürteltasche verschwinden und beginnt damit das eben zusammengepackte auseinander zu wuseln, um an die Zuckerstange zu kommen.

  • "Nach ist doch chganz klar! Dech Chkrieg ist vochbei. Du hast chkeine Achbeit. Deswegen siechst du so verhungecht aus, weil du chkein Chgeld verdiechnen chkannst."


    Mit etwas trüben Augen beschaut sie sich die langen Dinger auf Tears Rücken.


    "Das sind doch Schwechtech, odech? Also, wenn du mal was von mir zum mampfen bekommst, dann brauchst dich nicht mehch schlaaachgen."

  • Langsam schwante der Wildelbe, was die Frau von ihr hielt.


    "Du hälst mich für einen Soldaten, der für Sold im Krieg gedient hat?"


    Die Zuckerstange findet den Weg in ihrem Mundwinkel und bläst ihre linke Wange auf. Sie will die Vermutung der Frau gleich im nächsten Satz zurechtrücken, dann aber erinnerte sie sich Alanis Worten in diesen Landen lieber nicht zu sagen, dass man mit ein paar Handbewegungen und mit ihrer Potenz Hausschubsen spielen konnte.


    "Ich bin kein Soldat, ich komme von einer Expedition aus einem fernen Land, in dem es große Gefahren gibt und ich nutze diese Waffen auf meinem Rücken, als Verteidigung."

  • "Och, chja, vechstehe."


    nickte die Frau und verstand offensichtlich nichts. Ihre Welt hörte exakt hinter der Kaimauer auf. In ihrem Kopf gab es so etwas wie Söldner gar nicht wirklich. Männer - und seltener auch Frauen - kämpften für ihr Vaterland und natürlich auch für Sold, was sie aber nicht für verwerflich hielt. Von irgendetwas mussten ja auch sie leben. Ansonsten waren sie gezwungen, den Einheimischen das abzupressen, was sie brauchten. Ihre Logik war sehr einfach: Solange das Kriegsvolk nichts zu tun hatte, war Frieden. Das Kriegsvolk hatte aber so kein Auskommen, also war es am Rest der Bevölkerung, ab und an mal etwas abzugeben, damit der Frieden das bleibe, was er war: Wirklichkeit.

  • Tear schmunzelte, als sie diverse Gedankengänge auffängt.


    "Auf jeden Fall vielen Dank für das kleine Extra." Sie lächelt erneut. "Ich wünsche euch noch gute Geschäfte." - hier entlang des Grades der Welt.


    Mit diesen Worten nickt sie dankbar und entfernt sich vorsichtig, um die Händlerin nicht weiter zu strapazieren.


    Schon beim Genießen der ersten "Bissen" der Zuckerstange ist die Händlerin vergessen und Tear lässt ihren Blick wieder über den Hafen kreisen. Es war noch Zeit... sie könnte bei Alanis vorbeischauen und sehen, wie es ihr geht. Abgesehen davon schätzte sie das kühle Verständnis der Elementarpriesterin und das könnte ihr helfen die Problematik mit Kassandra in Amonlonde zu lösen.


    Und irgendwann später musste sie meditieren. Die schwere Wunde an ihrer Schulter heilte schlecht... zu sehr hatte sie die Aufgabe der Heiler übernommen, anstatt ihrer Profession nachzugehen und darüber vergessen, dass es ihr daran ebenso mangelte.


    Sie geht ein paar Schritte und stellt dann fest, dass ihr Gassenwissen, als sie das erste Mal hier war deutlich weniger dabei half, den Weg zu Alanis zu finden. Eine andere Kontaktaufnahme war bei ihr nicht möglich, sie war nicht wie Kassandra... also blieb ihr nichts anderes übrig... als erst einmal allein bewaffnet mit blindem Aktionismus, irgendeinen Weg zu finden, bis sie dann wieder auf einen stieß, der ihr bekannt vorkam.

  • Eine breitere Straße führt hinauf in die Oberstadt und mag Tear durchaus bekannt vorkommen. Doch welcher der Wege nun genau in den Wald führt, in dem die Priesterin wohnt? Einige zweigen von der Straße ab, führen zu kleinen und großen Häusern, aus Holz und Stein erbaut. Kinder spielen in der Sonne oder helfen ihren Müttern beim Verrichten der täglichen Aufgaben, die das Leben so mit sich bringt. Ein Mann humpelt an Tear'asel vorbei, gestützt von einem anderen. Auch sie scheinen den Weg Richtung Oberstadt zu nehmen. Der Verletzte flucht leise vor sich hin und schüttelt immer wieder den Kopf.


    "So'n Unglück. Hoff die im Hospital bekommen dat wieder hin", murmelt er und wird von seinem Kumpan mit einem aufmunternden Schulterklopfen belohnt.


    "Klar", sagt der jovial. "Kennste diese Rothaarige, die da schafft. Was für Melonen!"


    Er deutet Oberweiten im Brustbereich an und schafft es damit, den humpelnden Mann zum Kichern zu bringen.

  • Die Elbe bleibt augenblicklich stehen und gesteht sich ein, dass das Innehalten nicht wirklich etwas mit der erwähnten roten Haarfarbe zu tun hat... sie muss für sich schmunzeln und wendet.


    "Entschuldigt... aber wo finde ich das Hospital, von dem ihr spracht? Ich suche besagte...," sie hält einen Moment inne um das passende Adjektiv zu wählen, " ... Rothaarige?"

  • Zwei verdutzte Augenpaare wenden sich Tear'asel zu und ein gemeinschaftliches Zusammenzucken verrät, dass beide Männer offenkundig damit Erfahrung haben, bei einer derartigen Rede über Frauen normalerweise von anderen Frauen zusammengestaucht zu werden - wohl deren Ehefrauen.


    Der Verletzte, offenkundig ein Handwerker, der eine Arbeitsschürze trägt, fängt sich zuerst wieder.


    "Oberstadt", bringt er reichlich unintelligent hervor und deutet den Hügel hinaus. "Einfach - äh, mitkommen?"

  • "Vielen Dank." Die Elbe kehrt sich zur Gänze und wandert neben den beiden her. Irgendwann lächelt sie und erwidert mit der Trockenheit einer Wüste...


    "Ich finde den Vergleich mit Melonen übrigens nicht wirklich passend, man bezeichnet die primären Organe der Fortpflanzung bei Männchen ja auch nicht als ... Wachteleier."

  • Der Helfer prustete los.


    "Wachteleier. Hehe. Nee, das sicher nicht." Dem Handwerker hingegen war die Sache sichtlich peinlich, was seinen Freund jedoch nicht davon abhielt, weiter hin und wieder leise zu kichern und 'Wachteleier' zu murmeln, Tear'asel dabei hin und wieder einen interessierten Seitenblick zuwerfend.


    Der Weg führte immer weiter bergan und die Männer kamen beide ob der ungewohnten Gangart schnell ins Schwitzen. Mit puterroten Köpfen bogen sie schließlich eine ganze Weile später auf den Dorfplatz ein und gingen dann auf das Hospital zu.

  • Von der Siedlung kommend stapft Nuri etwas wegmütig auf die Anlegestelle zu. Sie steuert auf einen hageren, straßenköterhaarigen Jungen zu, der noch kein Schlachtfeld gesehen oder davon geträumt haben mag. Sie stubst ihn an, da er gerade verträumt eines der Schiffe mustert und fragt in harmlosem Tonfall.


    Na du, kannste mir sagen wann das nächste Schiff nach Magonien ablegt? Ich will mit. Muss nach Enosh.


    Das große Bündel auf Nuris Rücken bestätigt diese Aussage. Decken, Proviant, ein Wasserschlauch und ein Lederstück, das als Schutz um ein Pergament gewickelt ist, trägt sie gut verschnürt auf dem Rücken. Das Schwert hängt wie gewohnt-als sei es schon immer dort gewesen- an ihrer linken Seite und ein Lederbeutel baumelt zur Rechten an ihrem breiten Gürtel.

  • Ein Schiff aus der Flotte des Handelshauses Rothfeder liegt am Kai, stolz wehen die Flagge der Republik und das Banner mit der leuchtend roten Feder hoch oben am Mast.
    Kassandra und Ellemir sind von Bord gegangen sobald das Schiff vertäut war, den Besuch in der Hafenmeisterei haben sie dem Kapitän überlassen.
    Zielstrebeig macht sich die Schankmaid auf den Weg zu Bellarias Haus, ihre staunend um sich blickende Cousine im Schlepptau.