Die Wälder von Renascân (2)

  • --> Fortsetzung vom Gebäude der Späher


    Erleichtert lässt sich Emma von Narvi die Straße entlangziehen.


    "Und du bist sicher, das macht ihm nichts aus?", fragt sie, sie schüttelt verwundert den Kopf, als sie an Lamask denkt. "Ein seltsamer Kerl."


    Dann zuckt sie die Schultern, als würde sie ihre Verwunderung abschütteln und sieht Narvi an.


    "Wir müssen auch nicht allzu weit gehen. Hauptsache wir sind ungestört. Ich will dir was zeigen", sie grinst voll freudiger Erwartung.
    "Wie geht es dir denn? Ich wollte dir eigentlich eine Flasche Sanddornsaft mitbringen. Die hab ich aber grade Lamask geschenkt. Du kannst aber natürlich trotzdem eine haben."


    Sie wirkt zwar immer noch ein wenig zerstreut, doch der Schreck, den Lamask ihr eingejagt hat ist über die Neugier und Aufregung längst vergessen.

  • Narvi lacht kurz auf, als sie Emmas verworrene Fragen hört.


    Du fragst also ob es IHM nichts ausmacht? Sieh dich an, du warst ganz starr vor Angst vor ihm und kannst froh sein, dass du nicht mit ihm beim Teetrinken sitzen musst. Gern geschehn, ich bade das für dich aus. Mit Lamask kann man sich nciht mal eben gut stellen- auch wenn du es ja nun wirklich versucht hast. Bis zu Bestechungsgeschenken hast du dich vorgewagt! Sie schmunzelt und klopft Emmas verständnisvoll die Schulter.


    Kurz schweift sie in Gedanken ab und überlegt was da wohl auf sie zukommen wird, wenn sie wieder auf Lamask trifft.


    Also: Was hast du zu bereden?


    Mittlerweile sind Narvi und Emma einige Schritt weit in den Wald hinaus gekommen und am Wegrand liegt ein Baumstamm quer. Narvi bietet ihr den Platz an und setzt sich zu ihr.

  • Währenddessen krabbelte ganz in der Nähe von Emma und Narvi ein kleiner Käfer den Stamm eines Baumes herauf, sich redlich gegen die Höhen und Tiefen der widerspenstigen Borke zur Wehr setzend. Ob sein Name wohl Karl war? Wohlgemerkt, der des Käfers, nicht der des Baumes. Denn sind wir doch einmal ehrlich, Karl ist doch kein guter Name für einen Baum.

  • Emma denkt kurz über Narvis Antwort zu Lamask nach und stimmt ihr dann in Gedanken zu.
    Sie setzt sich auf den Baumstamm und kramt die drei Schnipsel und ihre Lösung aus der Tasche.



    "Die habe ich heute morgen beim Sanddornpflücken am Wegesrand gefunden. Ich hab versucht herauszufinden was da steht, aber die Bedeutung ist mir nicht klar. Ich finde aber es klingt nicht so gut."


    Sie hält die Fetzten Narvi hin und gibt ihr auch die Lösung.

    Zitat

    Ren....n macht sich mit........ – Freiheit für I..... Lan....!!! ....isch-Vin... für alle Ze..!!!
    Niede. ..t Al......ngen!!! Tod und Verde.. den blut.......en Auf.....isc..n!!!

    Zitat

    ......ân ma... ...h ......uld.. – ....heit ..r .si..or ....ara!!! Loren....-....gy fü..... ..it!!! Ni...r ..t Alt......gen!!! ..d ..d Ve.... den .......stig.. ........ischen!!!

    Zitat

    .......n ...ht si.. .......ldig – ...ih..t für ...dor ..ng...!!! Lor....ch-...agy f.. a... .eit!!! N....r mit ....einin...!!!
    Tod ..d ...derb d.. b...rüns....n A...tändis...n!!!

    Zitat

    "Renascân macht sich mitschuldig - Freiheit für Isidor Langara!!! Lorenisch-Vinagy für alle Zeit!!!Nieder mit Altweiningen!!! Tod und Verderben den blutrünstigen Aufständischen!!!"


    "Wenn wo Tod und Verderben draufsteht, kann ich mir denken, dass es kein Freundschaftsbrief ist. Was hältst du davon? Und was heißt das da?" Sie zeigt auf die Worte Isidor Langara und sieht Narvi erwartungsvoll an.

  • Narvi begutachtete die Papierstreifen, runzelte die Stirn, wirkte kurz nervöser, was dann sofort wieder hinter einer Fassade von Konzentration verblasste. Dann sah sie Emma an und pustete die Backen auf.


    Ufffff...hm...also.....jjjja! Wo hast du das denn gefunden, Emma?

  • "Unten am Weg der von den Steilhängen zum Rakentor führt. Ich war grade auf dem Rückweg und da lagen sie am Boden. Hat wohl jemand verloren. Also, weißt du was es bedeutet? Woran soll die Stadt Schuld sein?"


    Sie schaut Narvi aufmerksam an um keine Regung ihres Gesichts zu verpassen.

  • Narvis Augenbrauen zucken kurz nachdenklich zusammen, bevor sie ein freundliches Gesicht aufsetzt.


    Also das ist sicher kein Freundschaftsbrief, da hast du wohl Recht. Ich bin mir aber auch nicht sicher was genau es zu bedeuten hat. Lorenisch-Vinagy und Altweiningen sind zwei Namen für ein Gebiet in Lorenien...und den Namen da -sie deutet auf Isidors Namen- kann ich so gut nicht zuordnen.
    Aber ich glaube es wäre gut du gibst mir diese Schriftstücke, damit ich sie am Präfekturgebäude abgeben kann. Das wäre sicher - hilfreich.


    Sie hält Emma ihre offene Hand hin.


    Und wenn ich das Zeug abgegeben habe, können wir uns endlich über unsere reiche Zukunft Gedanken machen. Sie zwinkert und lächelt.

  • Emma zögert kurz, wenn sie Narvi die Zettel gibt, erfährt sie vielleicht nicht, was es damit auf sich hat. Andererseits will sie keine Scherereien, jetzt wo es doch gerade gut läuft in der Stadt.


    "Wenn du da was rausfindest, erzählst du's mir dann? Ich verrate es auch nicht weiter!", sie gibt Narvi alle drei Zettel und lächelt bei dem Gedanken an ihre und Narvis Pläne.
    "Kommst du dann einfach im Laden vorbei, wenn du das geklärt hast?" Sie deutet auf die Zettel. "Dann können wir in Ruhe nachdenken. Nicht, dass du wieder nicht da bist und...naja Lamask..." Sie runzelt wieder nachdenklich die Stirn, dann hellt sich ihre Miene wieder auf. "Außerdem hab ich noch Sanddornsaft für dich!", lacht sie und schüttelt etwas ungläubig den Kopf, "Der hat mich wirklich kalt erwischt."


    Plötzlich wirft sie Narvi einen seltsamen Blick zu.
    "Eines will ich noch wissen: Was wäre passiert, wenn du nicht gekommen wärst? Hätte er ernsthaft mit mir Tee getrunken?"

  • Narvi blickt verständnisvoll zu Emma, als diese ihr die Zettel reicht. Mit ruhiger Hand nimmt sie sie entgegen und erwidert mit fester Stimme.


    Wenn ich etwas erfahre und es dir sagen darf, werde ich dich informieren. Du musst wissen, dass es sein kann, dass ich Bericht erstatte und alles Weitere seine Wege geht ohne dass ich persönlich Wind davon bekomme. Die Strukturen der Garde sind weitläufig und dadurch effektiv...


    Sie fügt noch hinzu


    ...und das ist gut so, daher können wir uns darauf verlassen, dass alles seinen gewünschten Gang geht und wir weiterhin ein sicheres Leben in Frieden leben dürfen. Vertrau uns, so wie du´s jeden Tag insgeheim tust, wenn du auf die Straße trittst in der Gewissheit, dass du sicher dort laufen kannst und deinem Tagewerk nachgehen kannst.


    Als Emma den Treffpunkt vorschlägt nickt sie bestätigend ab und erwähnt zur unsicheren Nachfrage zu Lamask.


    Finlay hatte unter anderen schon das Vergnügen unfreiwillige Bekanntschaft beim Teetrinken mit ihm zu schließen und ich kann dir sagen, es war einn gesellschaftliches Ereignis, das nicht seinesgleichen suchen sollte. Ich hab ihn auch dort raus holen müssen. Aber Lamask verletzt niemanden, wenn du das meinst. Er wirkt nur...so wie er eben ist....bedrohlich und unberechenbar. Wenn er ein Wildtier wäre, würde ich empfehlen es mit Pfefferminztee zu zähmen.


    Sie zwinkert Emma zu.


    In diesem Sinne warst du aufeinem guten Weg! Bis später, ich beeile mich, so sehr ich kann.


    Narvi winkt ihr zum Abschied zu und beschleunigt ihren Schritt in Richtung --> Wachgebäude der Unterstadt.

  • Emma hört Narvi erleichtert zu. Natürlich wird sich die Garde schon drum kümmern.
    Sie lacht bei dem Gedanken, wie Finlay mit Lamask Tee trinken musste. Der Bursche ist für so was nicht geschaffen, viel zu ungeduldig, denkt sie und ist froh nicht die einzige zu sein, die Lamask erwischt hat. Trotzdem tut es ihr Leid ihn einfach stehengelassen zu haben. Es muss einsam sein, wenn sich jeder unwohl in seiner Nähe fühlt. Aber es ist schon spät und sie ist nicht gerade erpicht darauf ihm nochmal zu begegnen.
    Sie winkt Narvi hinterher und macht sich eilig auf den Weg zum Kramerhaus, im Kopf geht sie die Aufgaben durch, die sie noch erledigen muss und seufzt. Diese Zettel haben ihr ordentlich Zeit gestohlen, aber aufregend war es allemal!


    --> weiter im Haus der Witwe Kramer

  • -----> vom Wachgebäude der Unterstadt kommend


    Miras Weg in den Wald führt sie am Haus der Späher vorbei. Kurz zögert sie. Vielleicht sollte sie schauen ob Narvi zuhause ist? Sie verwirft den Gedanken. Die meisten Späher wollte sie nicht treffen. Lamask fand sie immer noch gruselig und Gerion hatte sie seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen. Also läuft sie weiter Richtung Wald und lässt bald darauf die Stadt hinter sich.


    Sie ist noch nicht weit gegangen, als sie schnelle Schritte auf sich zukommen hört. Hans, ein junger Mann den sie schon öfter im Zaunkönig getroffen hat kommt den Weg entlang gehastet. Sein Hosenbein ist zerrissen und er scheint zu humpeln. Sobald er sie errkennt fängt er an zu rufen:


    "Mira, Mira, den Göttern sei dank! Komm schnell! Du musst ihm helfen!"


    Seine Stimme ist panisch und er dreht sofort um und läuft den Weg wieder zurück den er eben gekommen war. Mira beeilt sich um zu ihm aufzuschließen.


    "Hans, was ist los?", fragt sie ihn eindringlich. Sie hat sofort die Wunde unter seiner kaputten Hose gesehen. Nicht besonders tief, aber deutlich zu erkennen.


    "Ein Wildschwein hat ihn erwischt. Schneller, Mira! Er ist da vorne."


    Ein Wildschwein also. Das erklärte die Wunde an Hans Bein. Mira wusste, dass Wildschweine üble Wunden verursachen können. Mit dem Bild was sich ihr nun bot, hatte sie allerdings nicht gerechnet. An einen Baum gelehnt kauert ein junger, braunhaariger Mann. Sein Hemd ist zerissen und blutgetränkt. Bereits von hier ist zu sehen, dass das Wildschwein den Bauch des jungen Manns tief aufgerissen hat. Mira wird blass.


    "Lauf! Lauf in die Stadt und hol Hilfe. Hol einen Prister! Los beeil dich!" Ihre Stimme ist ruhig aber sehr bestimmt. Hans rennt los, ohne auch nur einen Moment zu überlegen. Mira kniet sich nehben den Verwundeten und beginnt sofort ihn zu versorgen.

  • Der junge Mann ist ohnmächtig. Mira schaut sich den Bauch an. Er blutet aus zahlreichen verletzten Organen und auch die Bauchwunde selbst hat einige große Gefäße erwischt. Ein zweiter tiefer Schnitt verläuft über sein Bein. Schon jetzt ist der Boden um den Mann blutgetränkt. Mira arbeitet konzentriert und so schnell sie kann. Bindet Gefäße ab, versucht die Blutungen an den Organen zu stoppen. Aber sie hat das Gefühl mit jeder gestoppten Blutung findet sie eine neue. Wo blieb nur die Hilfe? Mira wusste was passieren würde. Es war unausweichlich. SIE konnte nichts weiter machen. Eine Heilerin und dennoch völlig nutzlos. Würde ein Hund vor ihr liegen oder ein Pferd, sie hätte längst den Dolch gezogen und dem ganzen ein Ende bereitet. So saß sie hier, versuchte den jungen Mann so lange am Leben zu halten, bis ein Prister kam. Ein Prister hätte ihm vielleicht helfen können. Sogar Magier konnten das. Erst vor kurzem hatte sie Liri getroffen, die ihr erzählt hatte, wie sie einen Ritter mit einer Halswunde gerettet hatte. Wie groß wären ihre Chancen bei einer Halswunde gewesen? Hälfte, hälfte? Aber die Stadt war weit weg. Bei der Menge an Blut, die der junge Mann verlor zu weit. Der junge Mann hustete. Blut lief nun auch aus seinem Mund. Schwer atmend öffnete er die Augen. Mira hasste diese Momente. Er schaute sie an. Flehend, ängstlich und doch voller Hoffnung. "Hilf mir!" hauchte er, bevor ihn die Ohnmacht wieder übermannte. Tränen liefen Mira über die Wangen vor Verzweiflung, Hilflosigkeit und Wut. Sie hatte schon viel gesehen. Auch Dämonen und andere Scheußlichkeiten. Aber das was sie wirklich in ihren Träumen verfolgte waren nicht die Schrecken dieser Schlachtfelder. Was sie wirklich verfolgte, waren diese Blicke. Diese Hoffnung, die sie immer wieder enttäuschte.


    Als ein Bussard hoch über den Wipfeln schrie, wusste Mira, dass es vorbei war. Sie blieb einfach neben dem jungen Mann knien und hielt seine Hand.