Im Hafen von Rendor

  • "Das würdest du mir beibringen?" mit strahlenden Augen schaut Clarisse ihre Cousine glücklich an, dann gesteht sie mit einem kleinen Lächeln, "Mutter hat darauf bestanden, dass ich wenigstens ein paar der einfachen Tänze beherrsche, die auf den Zunftfesten und in den Bürgerhäusern getanzt wurden, aber das ist nichts im Vergleich zu dem hier!" Sie steht auf und fasst Marie lächelnd bei den Händen, fast als wolle sie direkt lostanzen. Als ihr Blick allerdings von ihrer Cousine zu ihrem Onkel und dessen Frau wandert, erschrickt sie ein klein wenig vor ihrem eigenen Übermut, nimmt sich rasch zusammen und läßt ihre Hände wieder sinken. Kleinlaut murmelt sie entschuldigend, "Verzeihung, ich wollte nicht..." sie bricht ab und ihr ist anzusehen, dass sie nicht so recht weiß, was sich nun an dieser Stelle gehören würde.

  • Marie freut sich über Clarisses Interesse und nimmt ihre Hände sogleich wieder in ihre Hände, nachdem sie sie unsicher wieder sinken ließ.


    "Oh ja - ich zeige gerne Tänze... ich bin zwar keine perfekte Tänzerin, aber das kriegen wir schon hin! Möchtest Du irgendwelche bestimmten lernen? Vielleicht erstmal Kreistänze? Für manche Reihentänze haben wir vielleicht zu wenig Paare."


    Marie drehte sich zu ihrem Vater.


    "Vater, möchtest Du denn mit uns tanzen?"

  • Michael, der in einem Sessel saß, erwiderte:


    "Oh, Kinder! Ich merke doch, dass meine Knochen alt und müde sind. Aber, warum schnappt Ihr Euch nicht Fanny oder Prya oder wer da auch immer noch in der Küche rumlungert und nimmt Euch die Paare, die ihr braucht. Ich sehe sehr gerne zu."


    Er schaute zu seiner Gattin: "Und ich denke, dass Isabell Euch musikalisch begleiten möchte, nicht wahr - meine Liebe?"


    Isabell drehte sich zu ihm. Sie bejahte - wollte sie ihn nicht verärgern, wenn sie heute Nacht nochmal was von ihm wollte... schließlich wollte sie ihr Ziel erreichen.


    Fanny klatschte in die Hände. Zwar war sie nicht viel jünger als der Hausherr, doch sie mochte das Tanzen schon immer. Sie ging schnell in die Küche und holte Prya und noch zwei weitere Mägde, die sich erst sträubten, mitzukommen. Doch als Fanny ihnen versicherte, dass der Hausherr es sogar ausdrücklich wünschte, kamen sie schnell herbei.

  • Clarisse läßt sich rasch wieder von Marie anstecken und als der Hausherr seine Zustimmung gibt, strahlt sie erneut voll Freude und scheint sichtlich glücklich zu sein.

  • Marie schnappt sich also alle Tanzwilligen und erklärt die Chapelloise, Tourdion, Schirazula, Traubentritt, Indian Queen immer wieder und wieder, bis dieser fehlerfrei durchgetanzt werden kann.


    Dabei passieren so lustige Sachen und alle Damen sind vergnügt und lachen - bis auf eine - und der Hausherr schaut schmunzelnd zu und fällt ab und zu ins Lachen mit ein...


    Die Zeit verflog und es war schon sehr spät geworden, als Marie nach dem letzten Traubentritt zum Tisch ging und Getränke einschenkte, die für sie zuvor geholt wurden.


    Marie fühlte sich nicht mehr niedergeschlagen, sondern sehr wohl. Sie liebte das Tanzen.


    "Ich denke, es ist spät geworden und wir sollten und langsam zu Bett begeben," sagte Marie zu den Anwesenden. "Ich muss morgen viel erledigen, d.h. auch früh aufstehen. Fanny, bist Du so nett und weckst mich zur 8. Stunde, danke."


    Sie schaute erwartungsvoll Clarisse an, die mit ihr heute Nacht nächtigen wollte.


    Dann ging Marie zu ihrem Vater und küsste ihn auf die Wange: "Gute Nacht, Vater. Schlaf gut. Ihr auch, Isabell und danke für die Musik - sie war wunderbar."


    Maries Vater und seine Gattin wünschten ihr ebenfalls eine gute Nacht

  • Noch ganz gefangen von der Musik und den verschiedenen Tänzen, verabschiedet sich auch Clarisse von ihrem Onkel und dessen Frau und folgt Marie dann immer noch leise vor sich hinsummend hinauf auf deren Zimmer. Dort wartet sie, bis ihre Cousine die Tür hinter sich geschlossen hat, dann strahlt sie sie an und bedankt sich bei ihr für den herrlichen Abend, "Es war wunderschön, Marie!" Ihre Augen leuchten und mit einem verträumten Lächeln wiederholt sie den ein oder anderen Schritt, dann fragt sie neugierig, "Stimmt es, dass bei Hofe jeden Tag getanzt wird? Und dass die Damen alle schöne Gewänder tragen?" Ihre Wangen sind gerötet als sie sich übermütig im Kreis dreht.

  • Marie lächelt Clarisse an, schnappt sich ihre Hände, dreht sich mit ihr übermütig im Kreis, jauchzt kurz auf und antwortet:


    "Nein, nicht jeden Tag - aber wenn Festivitäten sind schon. Und alle sind dann wahrlich prächtig gekleidet, ob Dame oder Herr. Es ist so schön, wenn die Tafeln mit Kandelabern geschmückt sind und das weiche Licht der vielen hunderten von Kerzen in den Saal fällt, die tanzenden Paare, die schöne Musik..."


    Marie schwelgt in Erinnerungen und denkt für sich: Und der richtige Tanzpartner... und da waren sie wieder, diese schönen Augen, die sie nicht los lassen wollten... ach... wenn sie doch nur noch einmal mit ihm tanzen könnte... aber es wäre besser, ihn zu vergessen. Er war weit weg und wahrscheinlich nicht im Entferntesten an ihr interessiert... manchmal hatte sie geglaubt, er wäre... aber nein... das war nur eine Illusion gewesen.


    Sie schüttelt abermals das ihr so geliebte Gesicht fort.


    Sie wird ernster: "Aber, so schön auch alles aussieht, so hat der Hof immer auch zwei Gesichter. Nicht jeder, der freundlich erscheint, ist es auch wirklich. Man muss sehr vorsichtig sein am Hofe - egal in welchem Land. Ich versuche immer nett und höflich zu sein zu jedem, aber auch ebenso vorsichtig. Ich werde wahrscheinlich noch viel lernen müssen, aber ich habe schon einiges gehört und bin gewarnt worden."


    Marie dachte da an einen Trawonier, der auf dem ersten Blick so nett schien und wie sich dann herausstellte, fast Landesverrat begann. Was Marie auf dieser Reise erlebt hatte, hatte sie geschockt. Das Menschen zwei Gesicht haben konnte, wusste selbst sie, die behütet aufgewachsen war. Doch erlebt hatte sie es zuvor noch nie. Und man hatte sie gewarnt, dass gerade um die Fürstin herum, viele Dinge im Argen waren...


    Daher wusste sie auch, dass ihre Stiefmutter zwei Gesichter hatte und wusste, sie war mit Vorsicht zu genießen.

  • Endlich läßt sich Clarisse auf Maries Bett sinken und all ihre Fröhlichkeit scheint bei den ernsten Worten ihrer Cousine verflogen. Mit einem kleinen resignierten Schulterzucken stimmt sie ihr zu, "Ja, da hast du Recht! Leider trügt oft der Schein und was nach Aussen hin so wunderschön erscheint ist im Inneren leider ganz arg verdorben...!" Sie zeichnet mit dem Finger eine der gestickten Blüten auf der Bettdecke nach und schaut Marie dann fragend an, "Vielleicht wäre es das Beste, man erfreut sich einfach nur an den hübschen & schönen Dingen und ignoriert das Häßliche & Fiese einfach... dann könnte man alle Tage glücklich sein und bräuchte sich nicht mehr über das Ungemach grämen..." Ein feines Lächeln huscht über ihre Lippen, dann nickt sie energisch, "Ja, ich glaube so will ich es in Zukunft halten!"

  • Ein Schiff legt sich elegant in den Wind und nähert sich dem Hafen von Rendor. Am Mast weht stolz die kaozische Fürstenflagge, driekt darunter das persönliche Wappen eines Ritters - ein silberner Adler auf rotem Grund.
    Gespannt schaute Herr Bedevere dem Anlegemanöver zu, die Männer der >Nebelfalke< erfüllten dies wie immer schnell und zuverlässig. Ein paar Augenblicke später war das Schiff vertäut und die Landungsplanken wurden an die Pier gelegt.
    Herr Bedevere trat an Land und schaute sich um.

  • Es dauert nicht lange und ein älterer gesetzter Herr in guter Kleidung tritt auf ihn zu und begrüßt ihn höflich,


    "Herr Ritter, seid willkommen in Rendor! Ich bin Vince Joachim, der Hafenmeister dieser vortrefflichen Stadt."


    Er verneigt sich gewandt und fragt dann freundlich,


    "Wie kann ich Euch behilflich sein, edler Herr?"

  • Bedevere nickte dem Hafenmeister zu.
    "Bedever Noyau de Guet-Clermont ist mein Name, Meister Vincent. Die >Nebelfalke< bleibt nicht allzu lang im Hafen. Könntet Ihr mir aber sagen, wo ich den Kontor von Herrn de Moriba finde?"

  • "Oh, aber gerne!"


    Wenn auch nur gering, so doch merklich, wurde das Verhalten des Hafenmeisters dem Ritter gegenüber noch um eine Spur ehrerbietiger.
    Der Kaufmann schien in der Stadt eine geachtete Persönlichkeit zu sein.
    Unter einer erneuten Verneigung ruft der Mann einen Jungen zu sich und gibt ihm den Auftrag den Herrn Bedevere auf der Stelle zum Kontor des ehrenwerten Handelsherren de Moriba zu führen.


    "Ich bitte um Verständniss, dass meine Aufgaben mich hier im Hafen binden, Herr Ritter! Aber Pieter hier kennt den Weg gut und wird Euch zuverlässig führen!"


    Wieder verneigt er sich, diesmal zum Abschied,


    "Ich wünsche Euch einen guten Aufenthalt hier in Rendor, werter Herr!"

  • "Danke Euch, Meister Vincent. Aber ich werde jetzt nicht gleich aufbrechen können. Beschreibt mir doch bitte einfach den Weg, wenn es Euch möglich ist!"
    Er zwinkerte dem Jungen zu, dann gab er ihm eine Kupfermünze.

  • Dieser warf einen scheuen Blick zu dem Hafenmeister hinüber und auf dessen Augenzwinkern und leichtes Nicken hin, ergriff er dankbar die Münze, verneigte sich mit einem dankbaren Lächeln vor dem Ritter und verschwand dann so schnell wie er gekommen war wieder im Gewimmel des Hafens.
    Der Mann schaute ihm einen Moment lang bedauernd nach und wandte sich dann wieder Bedevere zu,


    "Bedauerlich, bedauerlich. Der Pieter ist wirklich ein anständiger Junge, Herr Ritter, aber sei´s drum!"


    Er wiegte noch einmal überlegend sein Haupt und beschrieb dem Kaotier dann ausführlich, wenn auch ein wenig umständlich, den Weg zum Hauptkontor der Familie de Moriba.

  • Nach einer sehr unterhaltsamen und daher auch kurzen Nacht waren Clarisse und Marie früh aufgestanden und frühstückten gemeinsam in der Küche mit dem Personal. Fanny hatte den Kutscher und einige Lagerarbeiter beauftragt, die restlichen Kisten schon einmal auf der Kutsche zu verladen.


    Gleich nach dem Frühstück zogen sich Clarisse und Marie an und gingen zusammen mit der Kutsche die Straßen entlang, zu Maries neuem Heim.


    Es war wieder einmal ein sehr frischer Tag. Eine steife Meeresbrise frischte die Gassen auf. Marie zog unweigerlich ihren Mantel enger. Es würde bald zu regnen beginnen, vielleicht auch wieder Schnee. Marie sehnte mittlerweile den Frühling herbei... Sonnenstrahlen, der Duft nach Blumen, Gräsern... das Vogelgezwitscher... sie seufzte bei diesen Gedanken. Wie wohl der Frühling in Kaotien war?


    Vor ihrem Haus blieb sie stehen und schaute sich das vollendete Werk an und war sehr zufrieden. Sie bat Clarisse herein und nahm ihr den Mantel ab.


    "Eine kleine Führung gefällig?"


    Marie nahm Clarisse's Hand und führte sie erst im Ergeschoss durch den Salon, den Wintergarten, der sich endlich mit Pflanzen und ihrem Papageien gefüllt hatte und somit alles umso mehr heimeliger machte. Alle Möbel standen endlich da, wo sie hin sollten, die Farbe an den Wänden und die Gardinen... alles war so, wie sie es wollte.


    Nach Begehung der Küche, des kleinen Gartens, den man von der Küchenhintertür betreten konnte, gingen beide Damen nach oben. Hier zeigte Marie unter anderem das Gästezimmer, das Badezimmer... oben die kleinen Kammern von Fanny und Prya wollte sie nicht zeigen, das sollte deren Privatsphäre sein... zum Schluss das Schlafgemach von Marie. Sie sette sich aufs Bett. Hier war es wirklich schön... wie schade, dass sie kaum hier sein würde....

  • Clarisse ist am Morgen guter Laune und summt hin und wieder noch die ein oder andere Tanzweise vom gestrigen Abend. Gespannt auf das neue Domizil ihrer Cousine folgt sie ihr durch die hübschen und äußerst wohnlich eingerichteten Räume. Als Marie die Führung in ihrem eigenen Schlafgemach beendet und sich dort auf das Bett setzt, nimmt Clarisse neben ihr Platz und schaut sie einen Moment mitfühlend an, "Bedauerst du, dass du fortgehen wirst, Marie?" fragt sie schließlich, "Wo du dir dies hier so schön hergerichtet hast...?" Sie lässt ihren Blick durch das Zimmer schweifen, "Werden Fanny und Pyra dann ab jetzt hier wohnen?" Ihre Stimme klingt ein wenig bang, während sie sich bemüht ihre Cousine nicht anzusehen, damit diese nicht merken würde, wie leid ihr das täte.

  • Am nächsten morgen, nachdem erst einmal die wichtigsten Dinge erledigt waren, machte sich Herr Bedevere auf zum Kontor der Familie de Moriba.
    Der Weg war recht einfach zu finden, die Beschreibung des Hafenmeisters war adäquat, wenn auch ein wenig umständlich gewesen. Nach einiger Zeit gelangte der Kaozier an sein Ziel und läutete die Glocke am Eingang.

  • Marie schaute sich nochmal im Zimmer um und antwortete dann:


    "Ja und nein. Ich meine - das hier ist meine Heimat. Und jetzt, da ich auch noch ein eigenes Heim bewohnen dürfte... andererseits... Vater möchte, dass ich mich vorteilhaft vermähle und er glaubt nicht, dass das hier in Rendor möglich wäre - zumindest nicht adelig," Marie rollte die Augen.


    "Und ich denke, dass mir die Erfahrungen gut tun werden bzw., dass ich von den Erfahrungen der Fürstin lernen könnte, um dann vielleicht irgendwann einmal meine eigenen Wege gehen zu können."


    Marie überlegte, wie weit sie Clarisse ins Vertrauen ziehen könnte. Nicht, dass sie sie bei ihrem Vater, und sei es nur versehentlich, verraten würde.
    Sie räusperte sich und führte weiter an:


    "Und ja, zumindest Fanny soll hier einziehen. Sie soll hier mehr ihren Lebensabend genießen, als für mich zu arbeiten. Und Prya... ich möchte, dass sie bei Fanny bleibt, um eine gute Ausbildung zu genießen - so wie es Fanny mit mir gemacht hat, bevor ich ins Kloster damals kam. Zuhause... nein... also ich... möchte nicht, dass sie zuhause bleibt - alleine."


    Marie würde heute noch mit ihrem Vater darüber sprechen müssen. Zu lange schon hatte sie es verschoben, weil es immer nicht passte. Sie wollte nicht, dass die arme Prya unter ihrer Schwiegermutter zu leiden hätte. Und Fanny wäre somit auch nicht alleine in diesem Haus, das sie wohl sehr selten selbst bewohnen würde. Sie wollte das bestmöglichste für Fanny und Prya.


    Dann lächelte Marie Clarisse an und sagte vorsichtig:


    "Und wenn Du mal von 'zuhause' ein wenig 'Erholung' oder gar 'Zuflucht' brauchst, dann bist Du hier immer herzlich Willkommen, auch wenn ich nicht da sein sollte," Marie schaute Clarisse direkt in die Augen, um ihren Worten Nachdruck zu geben: "Verstehst Du?!"


    Wie sollte Marie nur deutlicher werden, ohne böse Worte für ihre Stiefmutter zu finden oder gar Clarisse Angst zu machen?