Im Hafen von Rendor

  • An den Gesichtszügen des Ritters hatte sich indes nicht viel verändert.
    "Nunja, Lady Clarisse, der Hof zu Alesia ist sicherlich ein besonders schöner. Aber... märchenhaft perfekt ist er nicht. Ohne Fehl und Tadel sind die Herrn Ritter, mich eingeschlossen, bestimmt nicht."

  • "Da ich mich dazu nicht äußern kann, Herr Noyau de Guet-Clermont, denn ehrlich gesagt, seid Ihr mit Verlaub der erste kaozische Ritter, denn kennenzulernen mir vergönnt ist, so will ich Eure Worte nicht anzweifeln. Indes..." Clarisse macht eine kleine Pause und beschließt den Spiess dann umzudrehen, "... wie wäre es, wenn Ihr mir von Euren Eindrücken bei Hofe erzählt? Dann hätte ich zwei Seiten, von denen aus ich die neue Heimat meiner lieben Cousine betrachten könnte." Ein kleines schelmisches Grinsen huscht über ihre Züge.

  • Marie nickte Herrn Bedevere zu auf seine Frage hin.


    Sie konnte sich schon denken, dass Herr Bedevere es unschicklich fand, Marie in ihrem eigenen Heim zu besuchen, doch in Anbetracht dessen, dass sie befreundet waren - so nahm sie doch zumindest an - und dass sie nicht alleine wären in ihrem Haus, konnte sie die Bedenken des Herrn Bedevere nicht ganz nachvollziehen und machte sich über seine Worte Gedanken... Schicklichkeit wurde wohl von Land zu Land unterschiedlich ausgelegt.


    Sie fand es irgendwie bedauernd, ihr neues Heim, auf das sie so stolz war, würde es ihr doch ein wenig Unabhängigkeit bringen, nicht Herrn Bedevere zu zeigen. Aber wenn er nicht wollte... er würde seine Gründe haben. Sie ging auch nicht weiter auf dieses Thema ein.


    Statt dessen lauschte sie dem Gespräch zwischen Herrn Bedevere und ihrer Cousine.

  • "Ich fürchte fast, dass ich Euch da ein wenig enttäuschen muss, Lady Clarisse. Ich habe die letzten Jahre in der Königlichen Reichskanzlei gedient und war weniger am Hofe, das bin ich erst kürzlich. Aber meine Eindrücke von kaozischen Hofe sind die allerbesten. Wenn genau hinschaut, wird man neben dem Prunk eben auch Menschen sehen, die ihre Plficht sehr ernst nehmen. Der kaozische Hof versteht sich gut darauf, represenatativ und gleichzeit pflichbewusst zu wirken. Und Dinge, die ich an dem Hof auszusetzen hätte gehören nun wirklich nicht hierher."

  • "Ich hoffe, Ihr habt nicht den Eindruck gewonnen, ich wollte Euch dazu auffordern schlecht über den kaozischen Hof zu sprechen, Herr! Ganz im Gegenteil! Ich dachte einfach, Ihr könntet das Bild, welches mir Marie vermittelt hat, noch um einige Farben ergänzen... aber sei es drum." Sie lächelt ein wenig und fragt dann neugierig, "Was ist die königliche Reichskanzlei? Und warum königlich, wenn doch die Fürstin eine Fürstin ist?" Eine kleine Falte entsteht auf ihrer Stirn als sie diese etwas irritiert runzelt. Ihr ist anzumerken, dass sie gerne von fernen Ländern und fremden Sitten hört und der kaozische Ritter ihre volle Aufmerksamkeit geniesst.

  • "Die Königlich Reichskanzler unterstützt die Regierung Ihrer Fürstlichen Hoheit in Fragen der Diplomatie, der Politik und anderen Dingen wie Gesetzgebung. Königlich heißt sie daher, da Kaotien früher ein Königreich war. Nach dem Tod des letzten Königs wurden daraus aber drei Fürstentümer - Rayon, Tir Tercal und Caldrea. Doch der Titel Königliche Reichskanzlei blieb."

  • "Ah... also so etwas wie ein Kronrat?" fragend schaut Clarisse den Ritter an, während sie versucht das System mit dem ihrer Heimat zu vergleichen. "Bei uns gibt es verschiedene 'Minister', die den jeweiligen Bereichen vorstehen und die im Kronrat dem Herrscherpaar beratend zur Seite stehen." Sie überlegt kurz und bemerkt dann, "Allerdings sind dort dann alle Bereiche der 'Verwaltung' erfasst... also auch Handel und Krieg und so weiter. Gilt dies für die Reichskanzlei auch?" Ihr Blick ruht aufmerksam auf den Zügen des Kaoziers... endlich einmal jemand, der mit ihr auch über vernünftige Dinge zu sprechen bereit ist.

  • "Minister kann es auchgeben in Kaotien, wir haben aber keine in dem Sinne. Die Kanzlei ist kein Kronrat. Sie ist eher eine Art Verwaltungshilfe für die Fürstin. Der Reichskanzler führt die Regierung, er kümmert sich um vielerlei Ding, so zum Beispiel auch um den Handel. Wie ich weiß, ist er sehr gut mit Baron Tuak von Tjoster bekannt."

  • Michael hörte den Ausführungen des Herrn Bedevere interessiert zu. Als der Name Tuoks fiel sagte er schmunzelnd:


    "Ach ja, mein lieber Freund Tuok von Tjoster. Der hat ja auch wohl überall seine Hände drin."


    Michael überlegte, ob er dem Reichskanzler vielleicht ebenfalls vorstellig werden sollte. Zumindest wäre eine Reise irgendwann zu Marie in ihre neue Heimat am Hofe sicherlich interessant....

  • Marie sah Herrn Bedevere an und antwortete:


    "Das ist aber schade, dass Ihr uns schon verlassen wollt. Aber Ihr werdet sicherlich noch Einiges zu tun haben. Ja, morgen zum späten Nachmittag, denke ich."


    Sie stand auf.


    Auch die anderen am Tisch standen auf und verabschiedeten sich von Herrn Bedevere mit einem Bedauern darüber, dass er schon gehen wollte.


    Herr de Moriba lud ihn ein, sich jederzeit wieder hier einfinden zu dürfen, da es ihm eine Ehre wäre. Aber noch mehr brachte er zum Ausdruck zu hoffe, ihn in Kaotien wiedersehen, wenn er seine Tochter besuchte. Isabella versicherte ebenfalls, dass sie sich freuen würde, den kaozischen Hof zu besuchen.


    Marie hob erstaunt eine Augenbraue. Sie konnte gar nicht fassen, was sie da hörte. Ihr Vater wollte sie besuchen?!


    Sie schaute zu Clarisse, die ebenfalls aufgestanden war und etwas bedrückt aussah.


    "Lieber Herr Bedevere - ich begleite Euch gerne zur Tür."

  • Als Clarisse gewahr wird, dass Marie ihr Bedauern über den abrupten Aufbruch des Herrn Noyau de Guet-Clermont bemerkt, zaubert sie rasch ein höfliches Lächeln auf ihre Züge und knickst, wie es sich gehört.

  • "Die Herrschaften verzeihen, dass ich schon so bald aufbrechen muss. Zum einen möchte ich nicht die Zeit und die Gastfreundschaft der werten Herrschaften nicht all zu arg strapazieren, zum anderen habe ich wirklich noch einiges an Bord zu regeln!"
    Er verneigte sich knapp, dnan gen Marie-Babette:
    "Aber gerne doch, Lady Marie, es wäre mir ein Vergüngen!"
    Er reicht ihr seinen Arm.

  • Marie legte ihre Hand auf seinen Arm und führte ihn raus. Sie durchquerten wieder den Salon und hielten im Flur vor der Eingangstür. Marie reichte Herrn Bedevere seinen Mantel, der ordentlich auf einem Stuhl lag.


    "Es ist wirklich bedauerlich, dass Ihr uns schon verlässt. Aber Eure Pflichten gehen vor. Vielleicht habt Ihr irgendwann mehr Zeit zur Verfügung. Dann würde ich Euch sehr gerne meine Heimat zeigen - wie unseren Kontor, die Stadt... Nun denn. Zum späten Nachmittag hoffe ich, bei Euch zu sein. Dann lernt Ihr Flora kennen."


    Marie fiel dann etwas ein:


    "Wenn Ihr erlaubt, werde ich Euch eine Lieferung Gewürze zukommen lassen für die "Nebelfalke". Und wenn Ihr möchtet, empfehle ich Euch gerne Händler, wo Ihr gute Waren für Euer Schiff erwerben könnt, ohne übers Ohr gehauen zu werden."

  • Er nahm den Mantel dankend entgegen.
    "Vielen Dank, Lady Marie, das ist sehr freundlich von Euch. Der Smutje wird sich über frische Gewürze freuen. Und über einen Hinweis auf gute Händler würde ich mich auch freuen."
    Er zog den Mantel an.
    "Verzeiht mir bitte noch einma, dass ich schon gehen muss, ich wollte Euch lediglich meine Ankunft mitteilen. Zudem danke ich Euch für Eure Einladung, der ich sicherlich gerne nachkommen werde."
    Er verneigte sich noch einmal und habe Marie-Babette einen Handkuss.
    "Dann... bis morgen, Lady Marie!"

  • Clarisse schaut den beiden nachdenklich hinterher und muss plötzlich ein vergnügtes Lächeln unterdrücken. Marie als Lady Noyau de Guet-Clermont... warum eigentlich nicht? Nett scheint der Herr ja zumindest zu sein und augenscheinlich auch an ihrer Cousine interessiert. Nun muss Clarisse doch grinsen... warum nur hatte Marie ihr gar nichts davon erzählt?

  • Marie nannte ihm einige Namen und schaute ihm dann hinterher, als er die Straße hinunter ging.


    Sie schloß die Tür und ging wieder in den Salon. Alle Anwesenden schauten sie an und sie fühlte sich etwas mulmig.


    Clarisse und ihr Vater hatten so ein schelmisches Grinsen auf dem Gesicht, während ihre Stiefmutter eher grimmig reinschaute.


    Marie wandte sich an ihren Vater:


    "Vater, ich möchte Dich noch heute sprechen. Hättest Du vielleicht einen kurzen Augenblick Zeit - unter vier Augen?"

  • Michael konnte das Grinsen einfach nicht unterdrücken. Was für ein stattlicher Ritter. Hmmm...


    "Aber natürlich, Marie. Lass und gleich in mein Arbeitszimmer gehen, denn später habe ich noch Termine."


    Er wandte sich an seine Frau und Clarisse:


    "Ihr entschuldigt uns bitte kurz."


    Und so gingen er und Marie hinaus in sein Arbeitszimmer hinüber. Er schloss die Tür hinter Marie und setzte sich an seinen Schreibtisch und wartete ab, was seine Tochter von ihm wollte.

  • "Vater - ich wollte mit Dir reden über ... also, über... Prya."


    Sie schaute ihn an und versuchte seine Reaktion einzuschätzen. Sein Lächeln verschwand und eine Stirnfalte bildete sich in seinem Gesicht.


    Ohne abzuwarten, was er sagen würde, fuhr sie fort, senkte aber ihren Blick:


    "Ich möchte Prya in meinen Haushalt aufnehmen. Sie könnte weiterhin von Fanny erzogen werden. Ich weiß, sie soll das Handwerk im Konto erlernen - und das soll auch weiterhin so bleiben. Doch ich finde, wenn Fanny zu mir zieht, dann sollte Prya mitkommen. Fanny könnte sie intensiver schulen - findest Du nicht auch?! Ihr werdet viel auf Reisen sein und ich glaube auch nicht, dass Deine Gattin - ohne sie beleidigen zu wollen - viel von unserem Handwerk versteht."


    Marie schaute ihn wieder direkt an. Er wollte gerade was sagen, da sprach sie wiederum schnell weiter:


    "Und ich möchte, dass Fanny bei mir ihren Ruhestand genießen kann. Sie ist alt und hat es verdient, da so lange sie schon in unserem Diensten ist. Sie hat sich bereit erklärt, bei mir zu wohnen, den Haushalt zu führen und Prya auszubilden, da sie selbst ja keine Familie hat und wir ihre Familie sind. Aber das alles soll geschehen, weil sie es möchte und nicht muss. Würdest Du damit einverstanden sein? Ich möchte daher um eine angemessene monatliche Rente für sie bitten."


    So! Geschafft! Gespannt schaute sie weiterhin ihren Vater an, der mit offenen Mund da saß.

  • Michael saß dort an seinem Tisch und schaute mit Erstaunen seine Tochter an, die offensichtlich nun ihren Vortrag beendet hatte.


    "Ich bin überrascht, Marie. Dachte ich doch, Du würdest mir hier etwas anderes offerieren."


    Nun war es Marie, die eine Stirnfalte bekam.


    "Naja, also ich dachte, Du würdest mir etwas bezüglich unseres Besuch von eben berichten wollen. Er ist doch ein sehr netter Herr Ritter...?"


    Er zog fragend eine Augenbraue hoch und schaute seine Tochter an.