Der Tempel der fünf Gottheiten (3)

  • An diesem Morgen war Johanna mal nicht im Waisenhaus, weil sie die Andacht geleitet hatte. Gerade war sie im hinteren Teil des Tempels zugange, um einige ältere Opfergaben zu verstauen oder zu entsorgen - wenn Rotwein Beinchen bekam, wurde es unangenehm.


    Als sie mit einem Wischlappen zum Altar zurückkehrte, um ein wenig sauber zu machen, bemerkte sie die Besucherin.


    "Guten Tag", sagte sie freundlich.

  • "Schwester Johanna. Guten Morgen."


    Dania knickste und senkte dabei ehrerbietig den Kopf.


    "Hättet Ihr möglicherweise einen Augenblick Zeit für mich? Vielleicht an einem Ort, wo wir ungestört sind? Ich komme direkt aus dem Hospital und es geht um eine sehr wichtige Sache. "

  • Johanna schaute die Frau verdutzt an - das Gesicht kannte sie doch irgendwoher? - und nickte dann.


    "Aber natürlich. Gehen wir doch in die Küche, da sind wir sicherlich ungestört."


    Das Altarputzen konnte auch noch ein paar Minuten warten. Sie führte die Frau in die urgemütliche, kleine Tempelküche und fragte, ob sie ihr etwas anbieten könne.

  • Dania nahm dankend etwas Wasser entgegen.


    "Schwester. Ich möchte nur ungern um den heißen Brei herumreden, auch wenn ich nicht unhöflich erscheinen mag. Ich befürchte, dass die Zeit drängt. Wisst Ihr etwas über die Krankheit, die Warnung und Urteil Layas genannt wird?"


    Ihr war durchaus klar, dass sie mit der Tür ins Haus fiel. Aber eine derartige Eröffnung wurde nicht weniger schlimm, wenn sie Zeit verschwendete.

  • Johannas Miene wurde ernst und grüblerisch.


    "Das ist etwas, das sich mündlich tradiert hat - von Lorien kommend. Viele Layapriester sind mit dieser Bezeichnung nicht ganz glücklich, weil wir nicht daran glauben, dass unsere Herrin Menschen auf so furchtbare Weise im Leben verurteilen würden."


    Sie setzte sich an den Tisch.


    "Diese Krankheit kommt immer auf, wenn es käufliche Liebe oder Verkehr außerhalb der Ehe gibt. Hafenstädte sind da besonders betroffen. Man ist sich in meiner Kirche nicht ganz einig, ob es eine Krankheit ist, die mehr oder minder schwer verläuft oder ob es tatsächlich zwei Krankheiten sind, die man sich beim Beischlaf zuziehen kann. Fakt ist, dass die eine innerhalb weniger Jahre tödlich verläuft, die andere jedoch nach wenigen Wochen mit den für Syphilis typischen Symptomen wieder abheilt und der Mensch wieder gesundet."

  • Johanna wiegte den Kopf hin und her und zupfte gedankenverloren an dem eng geschnürten Ärmel ihres roten Kleids.


    "Man kann die Götter bitten, das Leiden von einem zu nehmen und auf Hilfe hoffen. Von einer rein medizinischen Lösung weiß ich leider nichts. Für Krankheiten in der Schwere bin ich leider keine Expertin."

  • Dania nickte verstehend und senkte den Kopf.


    "Ich danke Euch, Schwester Johanna."


    Als sie wieder aufsah, wirkte sie niedergeschlagen.


    "Würdet Ihr mit mir beten, Schwester?"

  • Auch wenn sie Alanis versprochen hatte, hier möglichst wenig zu sagen, konnte sie so einer direkten Frage einer Priesterin doch wohl kaum ausweichen, oder?


    "Die Gesundheit der Siedlung und einen väterlichen Freund, der zwar gesund ist, aber in Schwierigkeiten steckt und eine schützende Hand sicherlich gut gebrauchen kann."


    Es war zwar vage, aber bereits die Fragen vorher mussten in Schwester Johanna einen an Gewissheit grenzenden Verdacht geweckt haben. Wer fragte schon derart aufgeregt und unverblümt nach einer Krankheit, wenn es nicht einen triftigen Grund dafür gabe?

  • "Dann tun wir das." In ihrer gewohnt energischen Art führte Johanna ihre Besucherin zum Schrein zurück. Sie entzündete zwei Kerzen in zwei Schalen, die aus vielen kleinen, irsierenden Glassteinchen zusammengesetzt waren und die nun, in dem sanften Halbdunkel das Schreins, bunte Farben auf den Altar und die Umgebung warfen.


    Dann setzte sie sich mit ihrer Besucherin in die erste Reihe des bis auf sie beide leeren Schreins und begann leise zu sprechen:


    "Laya, lächelnde Herrin, an diesem Tag bitten wir Dich, auf diese Siedlung zu sehen und ihr Deine Güte angedeihen zu lassen. Schenke denen, die krank sind, Deine Heilung, damit sie die Freuden des Lebens, das ihnen gegeben wurden, wieder schätzen lernen und den Fünfen weiterhin dienen können. Schenke denen, die gesund sind, Dankbarkeit für diese Gnade. Und schenke denen, die sich um die Kranken kümmern, ein starkes und liebevolles Herz. Und für all jede, die in diesen Tagen mit Problemen zu kämpfen haben, Deinen Schutz und Deine Unerschütterlichkeit. Herrin - dies erflehen wir von Dir."

  • Danias Lippen bewegten sich lautlos. Für einen kurzen Moment verharrte sie noch in ihrer Haltung, dann legte sie die Hände auf die Knie und seufzte leise.


    "Danke, Schwester Johanna." sagte sie und lächelte.


    Dann verabschiedete sie sich von der Priesterin und hinterließ noch ein paar Kupfer im Opferstock.

  • Narvi fiel das Atmen in so heiligen Hallen immer schwerer. Sie spürte dann immer die wachenden Augen der Götter auf sich, was ihr eher Unbehagen verursachte. Das war ihr zu viel Aufmerksamkeit. Sie schritt an den Altären der Fünfe nacheinander vorbei und blieb bei Teldrons Schrein stehen, entzündete eine Kerze und nahm sich Zeit um zu durchdenken was sie in letzter Zeit erlebt udn getan hatte. Sie stand einige Minuten so da und wirkte in sich versunken.

  • HaPe tritt in den Temple ... hielt kurz inne und kniete Nieder.
    Bei den Fünfen, warum ziehn die roten Erdäppel nich? Da wollt ich mal was besondres für des kommende Fest uff de Tisch legen und zieh nur Dreck aus de Erd. Ich hab fast mein ganzs Vermögen in die Ernte gesetzt unn bekom sowas raus? Des langt grad so um die Arbeiter zu zahlen und für de eignen Keller ...
    Nächstes Jahr pflanz ich nur normales zeuch aufem Acker. Kein dreck aus andren Ländern der hier nicht zieht.

    HaPe zündet noch eine Kerze am Schrein des Kapal an, spricht ein Kurzes Gebet und verlässt den Tempel wieder

  • Von der Stadt her kommend betrat der junge Priester den Tempel, der nun schon seit einigen Monden seine Heimstatt geworden war. Von Zeit zu Zeit fiel ihm noch auf wie schlicht hier alles war, verglichen mit seiner Zeit im Kloster. Diesmal aber war er abgelenkt und hatte keine Lust sich mit solcherlei Gedanken herumzuschlagen.
    Er bewegte sich zielstrebig auf den Eingang des Layaschreins zu, dabei den einfachen geflochtenen Kranz musternd, den er im Arm trug. Einen solchen Kranz zu arbeiten, dachte er bei sich, ist wahrlich eine Kunst für sich. In ein Grundgerüst aus Weide waren einige Nadelzweige und eine Vielzahl bunter späterblühter Blumen eingeflochten. Abgerundet wurde das Ganze durch einige große herbstlich gefärbte Blätter, die in ihrer Farbenpracht den frischen Blüten in nichts nachstanden.
    Am Eingang angelangt stellte er seinen Einkaufsbeutel ab und betrat sodann, mit der freien Hand ein wenig an dem Kranz herumzupfend, raschelnd das Heiligtum. Den Gast nahm er dabei zunächst gar nicht wahr.

  • Narvi registrierte Astos und wie er mit sinnierendem Lächeln an dem Kranz rumzupfte..."So is er..." Sie blickte wieder auf die Kerzen, die vor ihr leicht flackerten und wartete bis er sie irgendwann selbst bemerkte. Sie verlor sich wieder in Gedanken und schmunzelte still vor sich hin.

  • Lächelnd, offenkundig zufrieden mit seinen kleinen Korrekturen an Blatt- und Blütenpositionen, blickte Astos von dem Kleinod in seinem Arm auf. Früh genug, um nicht in Narvi hineinzustolpern, aber wohl zu spät um zu verbergen, dass er bisher zu abgelenkt war, um sie zu bemerken.
    Nach einem Moment der Verlegenheit gewann er jedoch sein offenes Lächeln zurück. Bemüht selbstsicher sprach er sie an: "Sieh an wer hier ist um den Göttern Dienst zu tun." Sich des Umstandes bewusst werdend, dass dieser Satz von einem Priester in dieser Umgebung durchaus anschuldigend gemeint sein konnte setze er schnell, jedoch mit wieder aufkommender Verlegenheit, hinterher: "Freut mich dich zu sehen."

  • Narvi lächelte über so viel Tollpatschigkeit ein ernst gemeintes Lächeln.


    Freut mich auch dich zu sehen. War ja fast zu erwarten in diesen Hallen. Aber ich sagte ja, dass ich dich besuchen komme. Es hat nur etwas gedauert...tut mir Leid. Verlegen blickte sie zu Boden und dann wieder zu ihm auf.

  • "Nun, ich bin sicher du hast einiges zu tun. Und um mich hier zu treffen braucht es ja auch schon ein wenig Glück, je nachdem wo ich in der Stadt gerade gebraucht werde." Unbewusst nestelte er an dem Kranz, den er immernoch auf dem Arm trug, herum. "Ehm... wie ist es dir denn seit dem Fest der Akestera ergangen?" Er hatte die Frage kaum ausgesprochen, da wurde ihm klar, dass die Frau eigentlich gerade in ihrer Andacht versunken war. "Ach, da fang ich gleich an solche Fragen zu stellen und vergesse darüber ganz wo wir sind. Wenn ich dich bei deinem Gebet gestört habe, dann tut mir das Leid. Meine Fragen können natürlich warten." Der letzte Satz bekam, ohne das er selbst es merkte, fast schon einen demütigen Klang.