Im Hafen von Rendor II

  • Deirdre atmete hörbar aus als sie den Hafen sah. Da hatte sie ja mal wirklich Glück gehabt.


    Etwas zuversichtlicher geht sie dem Fremden weiter hinterher sich immer wieder nach ihrem Versteckt umschauend, als sie es sieht kann sie ein leise kichern nicht verhindern und sie steuert geradewegs darauf zu.

  • Fanny ging wieder herein, nachdem sich der Ritter verabschiedet hatte. Sie zog ihre Sachen aus und hörte, dass der Hausherr lauter wurde im Salon. Er wurde immer lauter, wenn er aufgebracht war, auch wenn er es dann gar nicht so meinte.


    Marie, Clarisse, Isabell saßen im Salon, während Michael auf und ab ging vor den Damen.


    "Ich war äußerst besorgt. Marie, Du weißt doch, dass Du mir sagen sollst, wenn Du Dich in der Stadt bewegst. Und dann solange fern zu bleiben ohne Benachrichtigung deinerseits..." er schüttelte den Kopf.

  • Marie atmete tief durch und nahm die ganze Schuld auf sich. Sie wollte nicht, dass Clarisse zukünftig leiden musste, war sie woh eher ein "Freigeist" und kannte solche Regeln nicht, auch wenn sie aus der gleichen Familie stammt.


    "Vater, es tut mir aufrichtig leid, dass ich Dir Kummer bereitet habe. Es war nicht meine Absicht, solange fern zu bleiben. Und Clarisse ist wirklich kein Vorwurf zu machen - ich hätte sie besser aufklären müssen, dass Du nicht möchtest, dass wir Frauen der Familie alleine in der Stadt sind. Wir werden das zukünftig berücksichtigen, damit Du Dir keine Sorge machen musst."


    Marie schaute ihn schuldbewusst an und hoffte, er würde es damit belassen, ihnen eine größere Standpauke zu halten. Außerdem sah er wirklich mitgenommen aus. Er musste sich wirklich große Sorgen gemacht haben. Vorhin im Flur hatte sie gesehen, dass er sich mehrmals den Magen rieb und auch die Stirn. Er war nicht mehr der Jüngste...


    Sie kaute wieder auf der Unterlippe... autsch... die tat immer noch weh. Hoffentlich würde es schnell verheilen.


    Da ihr Vater nichts weiter entgegnete, stand sie auf, ging auf ihn zu und gab ihm - völlig unerwartete für ihn - einen Kuss auf die Wange: "Entschuldigung vielmals, Vater! Clarisse und ich werden jetzt in unser Gemach gehen und zu Bett. Es ist spät."


    Sie schaute zwischen ihrem Vater und Clarisse hin und her.

  • Der Hausherr brummte... schaute seine Tochter direkt in ihre großen Augen... und da sah er sie - ihre Mutter, seine geliebte verstorbene Frau. Die hatte ihn auch immer mit diesem Blick angesehen, wenn sie sich gestritten hatten und dabei waren, sich zu vertragen.


    "Nun gut... es ist ja noch einmal gut gegangen - auch und vor allem Dank des Herrn Bedevere. Ich möchte mich bei ihm wirklich noch revanchieren. Er hat Dir schließlich schon zum zweiten Mal beigestanden. Nenne mir morgen bitte einige Vorschläge, wie ich ihm danken könnte, denn immerhin scheinst Du ihn schon etwas besser zu kennen."


    Er schaute sie eingehend an. Doch seine Tochter wandte den Blick ab. Aha...


    "Und Clarisse," er wandte sich an seine Nichte. "Du konntest es ja nicht wissen, aber ich möchte Dich inständig bitten, zukünftig immer in Begleitung das Haus zu verlassen. Diese Stadt ist nicht sicher und manchmal passieren Dinge... wie soll ich sagen... , die man nicht beeinflussen kann."


    Er schaute seine Tochter an. Vielleicht hätte er ihr vor fast vier Jahren den wahren Grund nennen sollen, warum er sie aus dem Kloster genommen hatte. Dann wäre sie vielleicht vorsichtiger bzw. würde ihn besser verstehen.


    Nein! Er wollte ihr keine Angst machen oder sie beunruhigen. Es wäre besser, wenn sie bald heiraten würde und dann einen Gatten, der sie beschützt. Außerdem wollte er endlich Enkelkinder, denen er sein Kontor vermachen könnte.

  • Clarisse hatte ihren Onkel bei dessen Worten nur entsetzt angeschaut und wortlos & scheinbar ergeben genickt. Dann war sie hinauf in ihr Zimmer geflüchtet, wo sie für einen Moment völlig erschüttert auf ihrem Bett sitzenbleibt, während die Gedanken in ihrem Kopf wie wild schreien, 'Dies ist ein Gefängnis... jetzt bist du für den Rest deines Lebens eingesperrt!' Fast wollen ihr schon wieder die Tränen kommen, doch sie hält sie tapfer zurück. Dann fast sie einen Entschluß, nimmt Papier & Feder aus dem kleinen Sekretär und schreibt einige kurze Sätze, versiegelt das Ganze und legt es dann auf ihr Kopfkissen. Schließlich kramt sie ihre alten Sachen aus einer der Truhen und ist froh, dass sie Fanny gebeten hat, diese aufzubewahren & nicht wegzugeben. Rasch hat sie sich umgezogen und schaut sich noch einmal im Zimmer um, will sie doch nichts mitnehmen, was nicht ihr gehört & auch nichts von ihrem alten Besitz da lassen. Als sie sicher ist, dass alles da ist, wo es hingehört, schlüpft sie leise aus ihrem Zimmer & verläßt dann unauffällig das Haus.

  • Herr Bedevere drehte sich um, als er scheinbar ein leises Kichern vernahm. Da er aber nichts in der Gasse sehen konnte, wandte er sich wieder um und ging zur >Nebelfalke<. Dort arbeitete die Besatzung noch mit Hochdruck daran, das Schiff auszubessern. Zudem wurden noch einiges an Proviant an Bord gebracht. Bedevere begutachtete kurz das Treiben und ging dann an Bord, um mit Kapitän Fernandez noch einige Dinge zu besprechen.

  • Im Hafen angekommen versucht Clarisse eine Weile unauffällig den Stapel mit den leeren Kisten wiederzufinden, doch entweder sieht bei Nacht alles gleich aus oder irgend jemand hatte die Kisten fortgeräumt. Schließlich entscheidet sie, mittlerweile recht müde von der ganzen Aufregung des Tages, sich erst einmal einen anderen Schlafplatz zu suchen und bei Licht erneut ihr Glück zu probieren. Rasch hat sie ein passendes Versteck gefunden, eine locker zusammengenagelte Kiste, in der sich Stroh befindet, zusammen mit einigen Weinflaschen. Zufrieden lächelnd räumt sie diese in eine andere Kiste und kuschelt sich dann in das freigewordene Stroh. Ihr letzter Gedanke gilt mit ein wenig Bedauern ihrem Onkel, doch dann ist sie schon tief & fest eingeschlafen.

  • Ihre Cousine war hinaus gestürmt und Marie wollte ihr folgen. Doch ihr Vater hielt sie auf mit Fragen auf, u.a. wann sie morgen das Haus verlassen würde, damit er rechtzeitig die Kutsche anspannen lassen konnte.


    Er und Isabell hatten vor, sie zu begleiten und am Hafen zu verabschieden. Marie bat, dass auch Fanny und Prya mit durften.


    Marie bat ihren Vater noch, alleine in die Frühmesse ihrer Kirche zu gehen. Er bemerkte, dass sie nicht alleine gehen sollte. Sie sollte sich Fanny und einen der Wachtposten aus dem Kontor mitnehmen. Marie war einverstanden. Sie wollte doch noch einmal ins Waisenhaus, das nicht unweit der Kirche war.


    Dann ging Marie in den Flur hinaus. Dort wartete angespannt Fanny. Marie versicherte, dass alles in Ordnung sei und küsste ihre alte Kinderfrau und wünschte eine gute Nacht.


    Müde ging sie die Treppe hinauf. Was für ein Tag. Sie klopfte an ihr altes Gemach, aber keiner rief sie herein. Vorsichtig öffnete sie die Tür. Aber keiner war im Zimmer. Komisch - sie hatte Clarisse hier erwartet, wollte diese doch, dass sie zusammen ihre letzte Nacht verbrachten. Sie trat ein... vielleicht war sie noch einmal in die Küche gegangen, um etwas zu essen. Sie rieb sich den verspannten Nacken... ein heißes Bad oder eine Massage wären schön. Aber es war schon spät und sie wollte niemanden mehr bemühen.


    Sie setzte sich aufs Bett und zog sich die Schuhe aus. Dann sah sie den versiegelten Brief auf dem Kopfkissen liegen. Ihr Name stand darauf. Komisch... sie nahm ihn, brach das Siegel und las. Ihre Augen weiteten sich... Nein! Clarisse war abgehauen! Das konnte doch nicht sein!


    Sie stand auf und schaute sich im Zimmer um... nichts von ihr lag mehr irgendwo herum... nicht auf der Kommode, auf dem Waschtisch... sie öffnete eine Truhe... leer - nur ihre alten Sachen...


    Sie ging auf und ab und rieb sich die Stirn... nochmals las sie den Brief - immer und immer wieder.


    Marie war hin- und hergerissen. Was sollte sie tun? Ihren Vater informieren und sofort nach ihr suchen lassen? Oder aber ihr die Chance geben, ein selbstständiges Leben zu führen und die Freiheit zu genießen, die sie kannte... im Gegensatz zu ihr selbst?


    Marie kniete vor dem Bett und faltete ihre Hände und betete zu ihrer Schutzheiligen... Bitte lass es ihr gut gehen... beschütze sie auf all ihren Wegen... lass mich jetzt das Richtige tun.


    Sie atmete tief ein und stand auf, nahm den Brief, schloss ihn wieder und wärmte das Siegel an, um es wieder zu schließen. Dann legte sie ihn zurück auf das Kopfkissen, nahm ihre Stiefel und verließ ihr altes Zimmer. Sie ging ins Gästezimmer, das immer zur Verfügung stand, schluckte den Kloß und die Tränen herunter. Marie zog sich ihr Tageskleid aus, so dass sie nur noch ihr Unterkleid an hatte... die Strümpfe wurden ausgezogen und ebenso ihr Haarschmuck und ihre Ohrringe. Sie schaute auf den Ring ihrer Mutter, den sie trug und dachte, wie alles wohl anders geworden wäre, würde sie noch leben. Sie legte sich in das kalte, aber gemütliche Bett und deckte sich zu...


    "Oh, Clarisse! Ich hoffe, Du weißt, was Du tust und wirst sicher sein", sagte sie leise... Sie konnte verstehen, dass sie gegangen war... wie oft hatte sie daran gedacht, ihr Heim zu verlassen, weil sie sich hier eingesperrt fühlte. Aber sie hatte und kannte nichts anderes als dieses Heim oder eben das Kloster. Sie hatte nur die einen dicken Mauern gegen andere eingetauscht.


    Trotzdem war sie sehr traurig über diesen Umstand, dass sie weg war. Es war, als hätte sie wieder ein Familienmitglied verloren. Sie hatte sich so über ihre Anwesenheit gefreut... und anscheinend lag Clarisse nichts an ihr oder ihrem Vater, wenn sie sie verließ. Und dabei hatte Marie versucht, ihr es so einfach wie möglich zu machen...


    Sie wollte... und da waren ihre Augen auch schon so schwer geworden, dass sie ins Land der Träume entglitt.

  • Marie träumte sehr schlecht und wälzte sich im Bett umher... sie hatte das Gefühl, wieder einmal verfolgt zu werden. Vom wem oder was konnte sie nicht sagen - doch in ihrem Traum lief und lief sie... irgend wohin über weite Felder in die Leere... Plötzlich tauchte Clarisse vor ihr auf und winkte ihr zu, doch im Nebel konnte sie nicht genau sehen, wo sie war und vor allem, wer hinter ihr war. Plötzlich ergriff sie eine kalte Hand von hinten an der Schulter - sie schrie....


    Marie wachte schweißnass auf, völlig außer Atem. Sie schaute sich um und brauchte einige Minuten, um zu erkennen, wo sie war. Sie stand auf und ging zum Waschtisch, um sich den Schweiß aus der Stirn zu wischen. Doch leider war kein Wasser in der Kanne, wusste doch niemand, dass sie hier nächtige und nicht drüben in ihrem Zimmer. Sie nahm das Handtuch und trockete sich die Stirn... erst jetzt bemerkte sie, dass sie auch auf der Brust ganz feucht war... der dünne Stoff klebte an ihr. Kälte stieg an ihr herauf. Im Zimmer war es sehr kalt, da kein Feuer gebrannt hatte... Marie frierte unweigerlich und bibberte mit den Zähnen. Schnell kroch sie wieder unter die noch warme Decke.


    Ihre Gedanken wanderten zu Clarisse. Die Nacht war so kalt - wo sie wohl war? Hoffentlich hatte sie es gemütlich und trocken. Dann fragte sie sich unweigerlich, ob Clarisse überhaupt Geld zur Verfügung hatte, um in einem Gasthaus zu nächtigen.


    Marie stand wieder auf, zog sich komplett an. Die Stiefel hatte sie noch nicht angezogen und nahm sie unte die Arme. Die Absätze würden sie verraten, wenn sie über den Holzboden ging. Leise schlich sie sich die Treppe hinunter ins Arbeitszimmer ihres Vaters. Dort hatte sie in eine Bücherregal ein kleines Versteck für Geldmünzen eingerichtet. Sie öffnete es und nahm alle Münzen, die sich dort drin befanden in einen Geldbeutel. Den steckte sie in ihre Rocktasche.


    Wieder leise schlich sie sich in den Flur hinaus, zog ihren Mantel an inklusive dicken Schal und einem Hut mit breiter Krempe. Aus der Schublade im Flur zog sie ein kleines Messer und steckte es sich in ihren Rockbund. Sie ging den schmalen Seitenflur ins Ladengeschäft, hängte die Türglocke aus und öffnete die Ladentür.


    Kalter Nebel kam ihr entgegen und sie begann unweigerlich zu frieren. Vor der Tür auf der Straße zog sie sich schnell ihre Stiefel an und ging leise die Straße entlang. Unweigerlich führte ihr Instink sie in den Hafen - warum wusste sie auch nicht. Aber sie konnte sich nicht vorstellen, dass Clarisse alleine in den dunklen Wald außerhalb der Stadt gegangen war. Und da sie vorhin im Hafen weggelaufen war, hatte sie das Gefühl, sie könnte sie vielleicht hier finden.


    Im Hafen waren um diese Zeit nur vereinzelt Menschen unterwegs... einige Betrunken, die von der Taverne nach Hause gingen, andere, die auf dem Weg zur Arbeit im Hafen waren. Sie presste sich einige Male an dunkle Häuserwände, um nicht aufzufallen. In der rechten Hand hielt sie das Messer fest umschlossen.


    Marie schlug unbewusst die Richtung ein, in der sie Clarisse gefunden hatten. Vielleicht war sie wieder hier...


    Es war sehr dunkel und sie sah nicht viel und doch versuchte sie, in jeder Ecke etwas erkennen zu können. Ab und an rief sie leise den Namen ihre Cousine.
    Sie wusste nicht mehr, wie viele dunkle Ecken und Kisten, Bänke und Bäume sie durchsucht hatte, als sie über ein dickes Tau in der Nähe von gestapelten Kiste stolperte. Autsch... Marie fiel hin. Als sie sich aufraffte, sah sie im schwachen Laternenschein ein Fuß aus einer der Kisten herausschauen. Schnell richtete sie sich auf und ging vorsichtig auf die Kiste zu.


    Das Wesen war mit Stroh und einem Mantel bedeckt. Es lebte noch, denn Dampf stieg aus der Kaputze heraus.


    "Clarisse?" flüsterte sie...

  • "Wen haben wir denn da?" hörte Marie-Babette eine bekannte Frauenstimme. Sie fuhr herum und sah Kapitän Fernandez, welche in Begleitung zweier stämmiger Matrosen war.
    "Was macht Ihr denn hier, Lady Marie?" fragte die Kapitänin und deutete den beiden Matrosen an, die Kiste zu untersuchen.
    "Ihr hattet recht!" meinte der andere grinsend und zog aus der Kiste einen relaliv kleinen Mann heraus.
    Kapitän Fernandez lachte leise.
    "Unser Smutje scheint ordentlich einen über den Durst getrunken zu haben. Bringt ihn an Bord mit den letzten beiden Kisten hier und vertäut dann die Ladung."
    "Jawohl, Frau Kapitän!" antworteten die beiden Seebären zackig.
    Die Frau wandte sich dann wiederum zu Marie-Babette.
    "Seid Ihr nicht ein wenig früh dran? Die >Nebelfalke< wird erst in ein paar Stunden auslaufen. Ich begleite Euch aber gerne nach Hause, wenn Ihr dies wünscht."

  • Erschrocken zuckt Marie zusammen und dreht sich zu der bekannten Frauenstimme um. Die Kapitänin der 'Nebelfalke' stand vor ihr.


    'Verdammt!' dachte Marie.


    "Ich, also... ich... Guten Morgen, Frau Kapitänin Fernandez." Marie schluckte. Wie sollte sie der Frau und den beiden Matrosen neben ihr erklären, was sie hier suchte, ohne Clarisse zu verraten? Oje... sie war doch so schlecht im Lügen.


    Sie schaute auf die Matrosen, die den Smutje aus der Kiste holten. Und sie dachte, es wäre vielleicht Clarisse... sie seufzte.


    "Ähm... ich danke Euch für Euer Angebot. Ich hatte etwas gesucht, was ich vielleicht hier verloren hatte, als ich heute im Hafen unterwegs war. Aber ich werde es wohl nicht finden," log sie und schaute dabei auch nicht die Kapitänin an, sondern tat so, als würde sie den Boden absuchen.


    "Ihr müsst mich auch nich nach Hause bringen - ich werde mich gleich alleine dorthin begeben."


    Dann schaute sie die Frau vor ihr an und beugte sich zu ihr. Flüsternd sagte sie zu ihr: "Und bitte - dass ich hier allein war... ich wäre Euch zu Dank verpflichtet, wenn Ihr niemanden von unserer Begegnung hier erzählen würdet."


    Mit großen Augen sah sie die Kapitänin an - ob sie ihr diesen Gefallen tun würde? Wenn heraus kam, dass sie hier alleine herumlief, zu dieser Uhrzeit und wenn dann auch noch herauskäme, dass sie eigentlich ihre Cousine, die weggelaufen war, suchte, dann wäre der Teufel los!

  • Abschätzend sah die Kapitänin sie an.
    "Gut, wenn Ihr meint. Das ist schließlich Eure Sache und nicht meine. Dann würde ich Euch empfehlen, nun direkt nach Hause zu gehen."
    Dann wird ihr Blick durchdringender.
    "Wenn ich Euch hier wieder alleine erwische, lasse ich Euch die Hammelbeine langziehen und dann bringe ich Euch persönlich nach Hause, haben wir uns verstanden?"

  • Maries Augen weiten sich und sie öffnet den Mund, um zu protestieren, schließt ihn aber schnell wieder, weil sie überlegt, dass es besser wäre, die Kapitänin nicht gegen sie aufzubringen, damit sie sie nicht verriet.


    "Jawohl, Frau Fernandez - Danke."


    Und damit drehte sie sich um und ging - scheinbar - wieder Richtung Hauptstraße, die aus dem Hafen führte.


    Sie traute sich kaum, sich umzudrehen, hatte sie Angst, die Kapitänin würde ihren Plan durchschauen.


    Marie hatte ganz und gar nicht vor, nach Hause zugehen.


    Als sie glaubte, genug außer Sicht zu sein, presste sie sich abermals an eine dunkle Hauswand und schaute erst jetzt wieder zurück. Sie sah niemanden mehr... sie legte die Hand auf ihre Brust, denn ihr Herz pochte vor Aufregung. Das ist ja noch einmal gut gegangen.


    Vorsichtig, immer an der Häuserwand entlang, ging sie langsam schleichend wieder in Richtung Hafen.


    Sie wagte sich kaum, zu atmen, damit ihr Atem sie nicht verriet, denn es war wirklich kalt in dieser Nacht.


    In Kürze war sie wieder an den Kisten angelangt. Sie ging vorsichtig an ihnen vorbei, immer schauend, ob sie etwas oder jemanden erkennen konnte.


    Sie schaute in den Himmel. Am Horizont wurde es schon heller. Die Morgendämmerung begann langsam. Sie musste sich beeilen.


    Sie ging die Straße entlang, in der sie Clarisse gefunden hatte. Hektisch schaute sie sich immer wieder um und flüsterte den Namen ihrer Cousine.


    Dann sah sie eine Bank und setzte sich für einen Augenblick... was tat sie hier überhaupt? Sie würde sie nie finden. Sie nahm ihr Gesicht in ihre Hände und fing an zu weinen. Sie würde nach Hause gehen müssen... bevor die Stadt erwachte... bevor ihr Vater erwachte.

  • Marie erschrak, als sie die Hand auf ihrer Schulter spürte, dass sie aufsprang, sich umdrehte und das Messer fest in ihrer Hand vor sich hielt, um sich zu verteidigen.


    Erst jetzt erkannte sie die Frau. Sie senkte das Messer.


    "Ihr?! Aber ich dachte..." Marie brach ab... War sie die ganze Zeit von ihr verfolgt worden? Und warum hatte sie sie nicht gleich angesprochen, sondern bis hier her verfolgt.


    "Bitte, ich kann es Euch erklären!" fing Marie an. Aber wie sollte sie es ihr erklären und vor allem, würde es sie interessieren? Sie kannte sie nicht sonderlich gut...

  • "Ich hatte Euch etwas gesagt," meinte Kapitän Fernandez.
    "Aber Ihr hattet Eure eigene Vorstellung von dieser Sache. Nungut, lebt mit den Konsequenzen. Ich werde Euch zum Haus Eures Vaters bringen. Und zwar auf der Stelle!"

  • Marie nickte nur. Es war wohl das Beste, wenn sie nach Hause kam. Sie würde Clarisse sicherlich nicht alleine finden.


    Sie schaute die Frau Kapitän an.


    "Ihr... was... werdet Ihr noch tun? Ihr wollt mir doch nicht wirklich die Hammelbeine langziehen?"


    Marie ging einen Schritt zurück und schaute die Frau ihr gegenüber an. Eine Falte auf ihrer Stirn bildete sich. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass die Frau ihr gegenüber tatsächlich Hand an sie anlegte... aber sie kannte sie halt auch nicht besonders gut und sie arbeitete mit Männern und machte sicherlich ganz andere Dinge, die sich jemand wie Marie nicht vorstellen konnte.

  • "Das überlege ich mir noch," entgegnete die Kapitänin kühl. Dann deutete sie Marie-Babette an, zu gehen.
    "Und nun los, Lady Marie, bevor ich nachhelfe. Wir gehen nun zum Eurem Heim. Kommt nicht einmal auf die Idee, abhauen zu wollen. Ich bin wirklich gespannt, was Eure Eltern dazu sagen werden."

  • Marie riss erschrocken die Augen auf.


    "Nein, bitte alles - nur das nicht! Bitte lassen wir meinen Vater schlafen. Er darf das hier nicht erfahren! Bitte..."


    Marie fasste sich an die Stirn und ging auf und ab. Was sollte sie denn tun?


    Wenn Ihr Vater wüsste, dass sie sich hier alleine rumgetrieben hatte, obwohl sie ihm doch versprochen hatte... und vor allem würde auffliegen, dass Clarisse weg ist und dass sie nicht eher Bescheid gegeben hatte...


    Sie schaute gen Himmel und betete im Gedanken: 'Oh, unsere Heilige, bitte helf mir doch!'


    Dann schaute sie die Kapitänin an und ging Richtung Stadtkern, vorbei an zahlreichen Schiffen, Kontorengebäuden. Am Horizont sah man die Morgenröte aufsteigen. Die ersten Vögel zwischerten immer lauter. Sie musste schneller gehen. Aber sie musste auch versuchen, diese Frau zu überreden, ihr Geheimnis zu wahren.


    "Frau Fernandez, darf ich Euch von Frau zu Frau etwas anvertrauen, etwas Persönliches, ein Geheimnis? Ich möchte Euch erklären, warum ich hier alleine bin - es ist nicht so, wie Ihr wahrscheinlich denkt."